II. (...)

III. (...)

2. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Nießbrauchsbestellung zu. Gemäß § 2174 BGB wird durch das Vermächtnis für den Bedachten das Recht begründet, von dem Beschwerten die Leistung des vermachten Gegenstandes zu fordern. Damit wird zunächst deutlich, dass der Nießbrauch nicht etwa – wie der Beklagte zu meinen scheint – automatisch beim Vermächtnisnehmer anfällt und sich nur die Frage einer etwaigen dinglichen Sicherung stellt, sondern es vielmehr der Erfüllung einer schuldrechtlichen Verpflichtung durch den Beklagten als Erben bedarf.

a) Gegenstand des Vermächtnisses ist hier nach Ziffer II. des Testaments ein "lebenslanger Nießbrauch am Nachlass" der Erblasserin, soweit dieser nicht vom Ehemann herrührt. Der Nießbrauch ist im Grundfall zunächst definiert als Belastung einer Sache, und begründet das dingliche Recht zur Ziehung der Nutzungen aus der Sache (Definition in § 1030 Abs. 1 BGB), sodass entgegen der Ansicht des Beklagten (Schriftsatz vom 26.8.2013 S. 2 = Bl 184 dA) nicht etwa eine zusätzliche Anordnung der Erblasserin zu den Nutzungen erforderlich war.

§ 1085 BGB benennt den Nießbrauch an einem Vermögen. Gemäß § 1089 BGB ist der Nießbrauch "an einer Erbschaft" als Unterfall des Nießbrauchs an einem Vermögen möglich. Zu Unterscheiden ist dabei zwischen der Zuwendung des Nießbrauchs an der Erbschaft und der Zuwendung eines nur schuldrechtlichen Anspruchs auf Nutzungen (Palandt/ Bassenge, § 1089 Rn 1; letzteres ist nach dem Testament ersichtlich nicht beabsichtigt). Zu Unrecht hat der Beklagte diesbezüglich gemeint, das Testament enthalte lediglich einen Anspruch auf anteiligen Erlös (Schriftsatz vom 21.3.2013, S. 15 = Bl 109 dA). Hätte die Erblasserin dies gewollt, hätte sie nach Einsetzung des Beklagten als Alleinerben in Ziffer I. des Testaments schlicht eine Verpflichtung zur Zahlung des jeweiligen Netto-Erlöses als Vermächtnis in Ziffer II. aussprechen können. Stattdessen hat sie ausdrücklich den Begriff "lebenslanges Nießbrauchsrecht" "an meinem Nachlass ..." gewählt und eine Kostentragungspflicht festgelegt.

Gemäß § 1068 Abs.1 BGB kann Gegenstand des Nießbrauchs auch ein Recht sein. Der Nießbrauch an einem Miterbenanteil ist ein solcher Rechtsnießbrauch (Palandt/Basenge, § 1068 Rn 1), für den §§ 2033, 1068 ff und 1066 BGB gelten (Palandt/Bassenge, § 1089 Rn 2). In seinem Schriftsatz vom 5.6.2015 geht der Beklagte nunmehr selbst davon aus, dass – die Zuwendung gegen seine Ansicht unterstellt – ein Nießbrauch an einem Erbteil vorliegt. Bei vollständiger Betrachtung ergibt sich somit: Die Erblasserin wendete der Klägerin den Nießbrauch an ihrem (definierten) Nachlass zu und somit zugleich einen Nießbrauch an den zum Nachlass gehörenden Erbteilen der Erblasserin innerhalb der an den Grundstücken bestehenden Gesamthandsgemeinschaften.

Mit der Formulierung "An meinem Nachlass ... ein lebenslanges Nießbrauchsrecht" war sich die Erblasserin der rechtlichen Unterscheidung zwischen Sachnießbrauch, Vermögensnießbrauch und Rechtsnießbrauch möglicherweise nicht bewusst. Dies führt jedoch entgegen der Ansicht des Beklagten nicht dazu, dass das Vermächtnis ins Leere geht oder seine Erfüllung unmöglich wäre. Nach dem Grundsatz der wohlwollenden Auslegung ist gemäß § 2084 BGB eine Verfügung im Zweifel so auszulegen, dass sie Erfolg haben kann. Der Erblasserin ging es wirtschaftlich ersichtlich darum, den jeweiligen Vermächtnisnehmern Netto-Erträge aus der Nutzung der im Einzelnen zum Nachlass gehörenden Gegenstände/Rechte zukommen zu lassen, wie sich an der Regelung über die Tragung von beispielhaft aufgeführten Kosten zeigt. Mit den unter Ziffer II. S. 2 des Testaments genannten "Zinsen und Tilgung dinglicher Rechte, Zinsen und Tilgung auf Darlehen, Kosten der Instandsetzung und der Instandhaltung von Grundbesitz und oder anderen Nachlassgegenständen, Verwaltungskosten etc." weist die Erblasserin deutlich darauf hin, dass alle Gegenstände von der Nutzziehung erfasst sein sollen. Der Senat verkennt nicht, dass der Beklagte sich deshalb so vehement gegen die Annahme eines Nießbrauchs an den Erbteilen der Erblasserin bezogen auf die einzelnen Grundstücke wendet, weil er daraus folgende Mitverwaltungsrechte der Klägerin innerhalb der Erbengemeinschaften an den Grundstücken nicht hinnehmen will. Auch nach Überprüfung bleibt der Senat jedoch bei der Auslegung des Testaments dabei, dass die Erblasserin der Klägerin nicht nur einen Anspruch auf Auskehrung der Hälfte der vom Beklagten insgesamt aus dem "Nachlass" gezogenen Erlöse zukommen lassen wollte, sondern dass nach Wortlaut und Struktur des Testaments der Klägerin ein Nießbrauch an allen zum Nachlass gehörenden Bestandteilen zukommen sollte. Für diejenigen Personen, die einen Nießbrauch am gesamten Nachlass haben sollten (ihre Schwester bzw. ihr Ehemann), hat die Erblasserin nicht etwa angeordnet, dass der Beklagte als Alleinerbe den Nachlass und die einzelnen Nachlassgegenstände verwalten sollte, um dann den Erlös auszukehren. Dara...

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