Leitsatz

Ergibt sich aus einem eigenhändigen, durch das Nachlassgericht eröffneten Testaments die Erbfolge mit der im Rechtsverkehr erforderlichen Eindeutigkeit, so kann der Erbe sein Erbrecht auch durch Vorlage dieses Testaments nebst Eröffnungsprotokoll nachweisen.

BGH, Urteil vom 5. April 2016 – XI ZR 440/15

Sachverhalt

Die Kläger nehmen die beklagte Sparkasse auf Erstattung von Gerichtskosten für die Erteilung eines Erbscheins in Anspruch.

Die Erblasserin, die im August 2013 verstorbene Mutter der beiden Kläger, unterhielt bei der Beklagten mehrere Konten, darunter auch Sparkonten. Am 22.8.1988 errichtete sie gemeinsam mit ihrem im Jahr 2001 verstorbenen Ehemann, dem Vater der Kläger, ein handschriftliches Testament. Darin heißt es auszugsweise:

Zitat

"Die endunterzeichneten Ehegatten ... setzen sich gegenseitig als Erben ein. ... Nach dem Ableben des letzten von uns geht das zu diesem Zeitpunkt vorhandene Vermögen auf unsere beiden aus unserer ehelichen Verbindung geborenen Kinder ... über. Sollte bis zu diesem Zeitpunkt eines unserer Kinder durch Tod schon aus der Erbfolge ausgeschieden sein, werden diese Rechte an die Kinder unserer Kinder weitergegeben. Unsere Enkelkinder bzw. deren Kinder sind gemäß der gesetzlichen Erbfolge unsere Erben. Fordert beim Tode des Erstverstorbenen eines unserer Kinder sein Pflichtteil, soll es auch beim Tode des Letztverstorbenen nur den Pflichtteil erhalten. ..."

Das Testament wurde nach dem Tod des Vaters der Kläger am 20.11.2001 eröffnet und der Beklagten vorgelegt. Nach dem Tod der Mutter der Kläger wurde es von dem zuständigen Amtsgericht am 26.9.2013 erneut eröffnet. Im Oktober 2013 forderte die Klägerin zu 1) die Beklagte, unter Vorlage einer beglaubigten Abschrift des Testaments und des Eröffnungsprotokolls, zur Freigabe der von ihrer Mutter bei der Beklagten unterhaltenen Konten auf. Dabei handelte sie auch im Namen und mit Vollmacht des Klägers zu 2). Mit Schreiben vom 29.10.2013 lehnte die Beklagte dies mit der Begründung ab, dass in dem Testament nicht ein Erbe, sondern ein Vermächtnisnehmer genannt sei und sie deshalb die Vorlage eines Erbscheins verlangen müsse. Auf ein erneutes Schreiben der Klägerin zu 1) antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 4.12.2013 und 15.1.2014, sie werde das handschriftliche Testament anerkennen, wenn das Gericht bestätige, dass in dem Testament zwei Erben genannt seien.

Daraufhin erwirkten die Kläger bei dem zuständigen Amtsgericht die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins, wonach sie zu je ½-Anteil Erben nach ihrer Mutter sind. Dafür verauslagten sie Gerichtskosten, in Höhe von 1.770 EUR. Außer den bei der Beklagten geführten Konten gehörte zum Nachlass nur noch ein Guthaben bei einer anderen Bank, die jedoch die Vorlage eines Erbscheins nicht verlangte.

Nach Einschaltung der Kundenbeschwerdestelle bei dem Rheinischen Sparkassen- und Giroverband gab die Beklagte die Konten zugunsten der Kläger frei. Eine Übernahme der Kosten der Erbscheinserteilung lehnte sie entgegen dem Schlichtungsvorschlag mit Schreiben vom 16.5.2014 ab.

Mit der Klage haben die Kläger von der Beklagten die Zahlung von je 885 EUR nebst Zinsen an sie als Mitgläubiger verlangt. Die Kläger halten die Beklagte unter dem Gesichtspunkt einer Nebenpflichtverletzung für verpflichtet, die Gerichtskosten für den Erbschein zu erstatten. Die Beklagte hält ihr Vorgehen für berechtigt, um sich zuverlässig gegen die Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme zu schützen. Bei einem handschriftlichen Testament bestehe die Möglichkeit der Fälschung. Zudem sei für sie nicht erkennbar gewesen, ob einer der Kläger nach dem Tod des Vaters den Pflichtteil gefordert habe.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kläger nicht Mitgläubiger seien und der Zinsanspruch erst ab dem 16.5.2014 begründet sei; wegen des weitergehenden Zinsanspruchs hat es die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

Aus den Gründen

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Den Klägern stehe gegen die Beklagte ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB auf Erstattung der Gerichtskosten für die Erteilung des Erbscheins in Höhe von 1.770 EUR zu. Die Beklagte habe gegen die ihr aus den Kontoverträgen obliegende Leistungstreuepflicht verstoßen, indem sie die Freigabe der Konten von der Vorlage eines Erbscheins abhängig gemacht habe.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei der Erbe nicht verpflichtet, sein Erbrecht durch einen Erbschein nachzuweisen, sondern könne diesen Nachweis auch in anderer Form führen. Der Nachweis könne – wie hier – mittels einer beglaubigten Abschrift eines handschriftlichen Testaments mit Eröffnungsvermerk erfolgen. Zwar sei bei einem privatschriftlichen Testament die Gefahr einer Rechtsunkenntnis, einer unentdeckt fehlenden Testierfähigkeit, einer...

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