Zugleich Anmerkung zu OLG Köln, Urt. v. 5.2.2015 – 7 U 115/14[2]

Wer aufschiebend bedingt oder auflösend bedingt zum Nacherben eingesetzt ist, kann einen Pflichtteilsanspruch nur geltend machen, wenn er seine Nacherbeinsetzung gem. § 2306 Abs. 2 BGB ausgeschlagen hat. (n. amtl. Ls.)

Die trotz Zulassung der Revision zwischenzeitlich rechtskräftige Entscheidung des OLG Köln ist eine für die Kautelarpraxis sehr wichtige und vor allem richtige Entscheidung. Sie zeigt aber zugleich das Dilemma von Anwälten auf, rasch den richtigen Rat geben zu müssen.

In dem vom OLG Köln entschiedenen Fall ging es um Pflichtteilsansprüche der Tochter gegen die Mutter und Ehefrau des Erblassers. Die Tochter reichte eine Stufenklage ein. Der Erblasser und seine Ehefrau hatten sich im Rahmen eines Ehegattentestaments wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt. Zudem wurde folgende Wiederverheiratungsklausel aufgenommen:

"Sollte einer der Ehepartner sterben, kann der andere der oben genannten Ehepartner bei Wiederheirat den gesamten Nachlass nur an die zwei Kinder aus erster Ehe vererben. Beantragt einer der Erbberechtigten vor Ableben des letzten Erblassers sein Pflichtteil, so hat dieser keine weiteren Ansprüche mehr an dem Erbe des zuletzt Lebenden."

Im Alleinerbschein wurde die Ehefrau nach dem Tode ihres Ehemannes als befreite Vorerbin eingetragen, in dem auch der Eintritt der Nacherbfolge im Falle ihrer Wiederverheiratung aufgeführt ist. Ihre Tochter machte nunmehr gegenüber ihrer Mutter den Pflichtteil geltend. Die Klage wurde jedoch abgewiesen, weil die Klägerin als Pflichtteilsberechtigte das Nacherbe nicht ausgeschlagen habe.

Zur Begründung führte das OLG Köln u. a. aus, dass nur derjenige einen Auskunftsanspruch nach § 2314 BGB hat, der auch pflichtteilsberechtigt sei, und zwar unabhängig von seinem Pflichtteilsanspruch an sich.[3] Dabei ging das OLG Köln bei der vorliegenden Konstruktion der Wiederverheiratungsklausel als quasi postmortalem Keuschheitsgürtel des überlebenden Ehegatten von einer auflösend bedingten Vollerbenstellung aus, die zu einer erbrechtlichen Doppelstellung führt. So ist der überlebende Ehegatte nicht nur (auflösend bedingter) Vollerbe, sondern gleichzeitig auch nur Vorerbe. Notwendigerweise war dann die Tochter damit gleichzeitig auch Nacherbe, und zwar aufschiebend bedingt. Der Nacherbfall tritt dann bei Wiederverheiratung ein.

Derartige Potestativbedingungen sind in Testamenten nicht selten. Am bekanntesten ist in den letzten Jahren die besondere Potestativbedingung im Erbvertrag im Hause Hohenzollern geworden.[4]

Bisher war lediglich anerkannt, auch ein Nacherbe ist Erbe iSd § 2314 BGB, zumindest für den Fall, wenn seine Nacherbenstellung auflösend bedingt ist. Das OLG Köln verwies hierbei auf die Entscheidung des BGH vom 4.12.1980 – IV a ZR 46/80 = NJW 1981, 2051.

Vorliegend handelt es sich jedoch um einen Fall einer aufschiebend bedingten Nacherbschaft. Das OLG Köln führte dazu aus, dass hierbei in der Literatur strittig sei,

ob der aufschiebend bedingte Nacherbe infolge der Beschränkung durch die Bedingung den Pflichtteilsanspruch ohne Weiteres geltend machen darf (so u. a. Weidlich § 2306 Rn 4; Röthel in Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 2306 Rn 6; J. Mayer in Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 2306 Rn 13; Johannsen in BGB-RGRK, 12. Aufl. 1975, § 2306 Rn 9; Frank in MüKoBGB, 3. Aufl. 1997, § 2306 Rn 7; Schlitt NJW 1992, 28; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl. 2001, § 37 Fn 84; J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, HdB Pflichtteilsrecht, 3. Aufl. 2013, § 3 Rn 46; auch Bestelmeyer, Rpfleger 2007, 1), oder ob es auch hier im Hinblick auf § 2306 Abs. 2 BGB der Ausschlagung des bedingten Nacherbes bedarf, um Pflichtteilsansprüche geltend zu machen (so z. B. Haas in Staudinger, BGB, Bearb. 2006, § 2306 Rn 17 ff; Lange in MüKoBGB, 6. Aufl. 2013, § 2318 Rn 10 unter Aufgabe der von Frank in der 3. Aufl. vertretenen gegenteiligen Ansicht; Dieckmann in Soergel, BGB, 13. Aufl. 2002, § 2306 Rn 6; Burandt/Rojahn, Erbrecht, 2. Aufl. 2014 § 2306 BGB Rn 25; Riedel in Damrau, Praxiskomm. Erbrecht, 2. Aufl. 2011, § 2306 Rn 11).

Zudem vertritt das OLG Köln die (zutreffende) Ansicht, im Falle einer aufschiebend bedingten Nacherbschaft sei für das Bestehen des Auskunftsanspruchs auch auf die Frage abzustellen, ob zur Geltendmachung des Auskunftsanspruchs die Ausschlagung der aufschiebend bedingten Nacherbschaft Anspruchsvoraussetzung ist.

Vorliegend hatte die Tochter diese ihr offensichtlich nicht präsente Nacherbschaft jedoch nicht ausgeschlagen, und zwar mit der fatalen Folge, den Auskunftsanspruch nicht erfolgreich geltend machen zu können. Letztendlich kommt es darauf an, ob die Nacherbin die Ausschlagung noch erklären kann oder nicht, und ob der Pflichtteilsanspruch dann bereits verjährt ist. Interessant ist diese Frage insbesondere im Zusammenhang mit Verwirkungsklauseln, die innerhalb der dreijährigen Verjährung greifen.

Im vorliegenden Fall kam das OLG Köln zu dem Ergebnis, dass bei aufschiebend bedingten Nacherb...

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