Gemäß § 9 Abs. 1 BewG ist bei der Bewertung grundsätzlich, also soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der gemeine Wert zugrunde zu legen. Dieser wird nach § 9 Abs. 2 S. 1 BewG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Vor diesem Hintergrund geht die Rechtsprechung davon aus, dass der gemeine Wert (iSv § 9 BewG) grundsätzlich dem Verkehrswert entspricht.[1] Maßgeblich ist nach dem Wortlaut des Gesetzes die Perspektive des Verkäufers, nicht diejenige des Erwerbers.[2]

Unter "gewöhnlichem Geschäftsverkehr" ist der Handel nach freien, marktwirtschaftlichen Grundsätzen zu verstehen, bei dem der Preis allein nach den Maßstäben von Angebot und Nachfrage gebildet wird, ohne dass er von irgendwelchen anderen, außerhalb des Marktgeschehens liegenden Faktoren beeinflusst würde.[3] Die Ermittlung des unter diesen Umständen erzielbaren Preises kann entweder auf der Grundlage tatsächlich stattgefundener Verkäufe erfolgen oder durch Schätzung. Dabei sind zeitnah zum Bewertungsstichtag liegende Verkäufe[4] (soweit es sich dabei um solche im gewöhnlichen Geschäftsverkehr handelt) vorrangig heranzuziehen. Nur hilfsweise, also dann, wenn keine[5] relevanten Verkäufe vorliegen, ist der gemeine Wert zu schätzen,[6] und zwar unter Zugrundelegung der Auffassung, die ein urteilsfähiger und unvoreingenommener Staatsbürger haben oder gewinnen würde, wenn er sich mit der Fragestellung befasste.[7] In der Praxis wird (dennoch) regelmäßig auf die Meinung von Sachverständigen zurückgegriffen.[8]

Sowohl bei der Bewertung anhand konkreter Verkaufspreise als auch (insbesondere) durch Schätzung ist die konkrete Beschaffenheit des zu bewertenden Wirtschaftsguts von ausschlaggebender Bedeutung.[9] Die in Betracht kommenden Vergleichspreise müssen sich auf tatsächlich vergleichbare Wirtschaftsgüter beziehen. Im Rahmen der Schätzung müssen ebenfalls die jeweiligen charakteristischen Eigenschaften des Bewertungsgegenstands berücksichtigt werden. Lediglich ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind nach § 9 Abs. 2 S. 3 BewG außer Acht zu lassen.

[2] Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 12 Rn 58 und 67.
[5] Oder zu wenige Verkäufe, um als repräsentativ angesehen zu werden, vgl. BFH v. 26.9.1980 – III R 21/78, BStBl II 1981, 153; BFH v. 28.11.1980 – III R 86/87, BStBl II 1981, 253; Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 9 Rn 15.
[6] Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 12 Rn 63; Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 9 Rn 17.
[8] Halaczinsky, in: Rössler/Troll, BewG, § 9 Rn 17.
[9] Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 12 Rn 63.

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