Nach Ansicht von Daragan[155] knüpfen die von Rechtsprechung und Literatur favorisierten Abgrenzungskriterien zur Unterscheidung zwischen sachlichen und persönlichen Verfügungsbeschränkungen falsch an. Er ist der Meinung, Verfügungsbeschränkungen seien allein nach ihren jeweiligen Wirkungen zu beurteilen. Auf die Frage, wie die Verfügungsbeschränkung zustande gekommen ist, komme es nicht entscheidend an. Mithin seien insbesondere gesellschaftsvertragliche (oder auch gesetzliche) Verfügungsbeschränkungen, die jeden Gesellschafter (und nicht nur bestimmte Personen) binden, nicht unter § 9 Abs. 3 S. 1 BewG zu subsumieren. Vielmehr handele es sich hier um sachliche Verfügungsbeschränkungen, die mit in die Bewertung einzufließen hätten.

Allerdings müssten Verfügungsbeschränkungen nicht immer wertmindernd zu Buche schlagen. Es sei – gerade bei Familiengesellschaften – vielmehr auch zu berücksichtigen, dass Verfügungsbeschränkungen positive Wirkungen für die Gesellschafter haben und sich daher auch werterhöhend auswirken könnten. Vor diesem Hintergrund sei stets die wirtschaftliche Gesamtwirkung zu betrachten.[156]

Im Übrigen forderte Daragan bereits im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens zum ErbStG 2009 eine generelle Öffnungsklausel für die Bewertung sämtlicher Wirtschaftsgüter, die es dem Steuerpflichtigen ermöglicht, einen niedrigeren (als den sich nach den bewertungsgesetzlichen Vorgaben ergebenden) gemeinen Wert nachzuweisen.[157] Dieses Petitum ist durch die Ausgestaltung des § 11 Abs. 2 BewG in Bezug auf Gesellschaftsanteile im Wesentlichen erfüllt, da – abgesehen von den Einschränkungen nach § 9 Abs. 2 und 3 BewG – im Rahmen der Anwendung des Ertragswertverfahrens oder der DCF-Methode prinzipiell alle wertbestimmenden Faktoren Berücksichtigung finden können, und der Steuerpflichtige auf diese Weise (abgesehen von den erwähnten Einschränkungen) den tatsächlichen gemeinen Wert nachweisen kann.

[155] In Daragan/Halaczinsky/Riedel, ErbStG und BewG, § 9 BewG Rn 44.
[156] Daragan, in Daragan/Halaczinsky/Riedel, ErbStG und BewG, § 9 BewG Rn 45.
[157] Daragan, ZErb 2007, 453, 455.

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