Leitsatz

Bereits die Veranlassung der Bekanntgabe des erstmaligen Antrags auf Gewährung von Prozesskostenhilfe führt zur Hemmung; wird die Bekanntgabe demnächst nach der Einreichung des Antrags veranlasst, so tritt die Hemmung der Verjährung bereits mit der Einreichung ein.

OLG München, Urteil vom 9. Mai 2012 – 3 U 4875/11

Sachverhalt

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist ein Pflichtteilsanspruch der Klägerin. Ihr Bruder – der Beklagte – ist als Schlusserbe aufgrund eines notariellen Erbvertrags der Eltern Alleinerbe der am 27.8.2004 verstorbenen Helene S. Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivortrags zur Höhe eines etwaigen Pflichtteilsanspruchs wird auf den Tatbestand des Ersturteils verwiesen.

Unter zweierlei Gesichtspunkten (1. fehlende PKH-Unterlagen, keine demnächste Zustellung iSv § 167 ZPO; 2. nach dem Beschluss vom 11.3.2008 keine Verfahrenshandlung, die eine Hemmung auslöste) hat das Landgericht die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs bejaht und deswegen die Klage mit Endurteil vom 15.11.2011 abgewiesen. Die Verjährungseinrede hat der Beklagte zu Beginn des Verfahrens und nach dem 11.3.2008 erhoben.

Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung ihre erstinstanziellen Anträge weiter. Sie meint, dass ihre Ansprüche – die sie im Wesentlichen aufgrund eines am 10.8.2009 erstatteten Privatgutachtens errechnet – nicht verjährt seien. Nach § 2332 BGB aF sei das Ende der Verjährungsfrist nicht der 27.8.2007. Nach § 208 BGB aF sei die Verjährung durch die Erteilung einer Auskunft des Erben über den Nachlassbestand unterbrochen, wenn sich aus dieser ein grundsätzliches Anerkenntnis ergebe. Hierzu wird auf das Schreiben des Beklagten vom 6.6.2005 (K 2 = BK 1) verwiesen.

Des Weiteren könne nicht aufgrund der Regelung in § 167 ZPO eine Verjährung bejaht werden: Das Landgericht habe nur den PKH-Antrag, aber nicht die unbedingt erhobene Klage zugestellt. Die Klägerin hätte den Eingang der Anforderung der Gerichtskosten abwarten dürfen, die jedoch nicht erfolgt sei. Hätte das Landgericht zudem bereits am 29.8.2007 nicht nur die Zustellung des PKH-Antrags an den Beklagten verfügt, sondern auch die Klägerin zur Einreichung der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit Fristsetzung aufgefordert, anstatt erst mit Verfügung vom 9.10.2007 ohne Fristsetzung, dann wäre es nicht dazu gekommen, dass diese Erklärung der Klägerin erst am 26.11.2007 bei Gericht einging.

Auch eine Verjährung hinsichtlich des Zeitablaufs nach dem 11.3.2008 (im Termin vom 11.3.2008 erging Beschluss, wonach neuer Termin auf Antrag bestimmt werde) wird verneint. Das Erstgericht verkenne bei der Abstellung auf Prozesshandlungen, dass die Parteien nach diesem Termin einvernehmlich die Einholung eines Wertgutachtens betrieben. § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB sei nicht einschlägig. Die Klägerin habe mit Schriftsatz vom 19.06.2009 ihre Klage weiterverfolgt. Der eingetretene Stillstand des Verfahrens bis Februar 2011 gehe auf die Untätigkeit des Gerichts zurück. Im Übrigen sei der Verkehrswert des vererbten Hausgrundstücks nicht unstreitig gewesen.

Aus den Gründen

Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet. Der Pflichtteilsanspruch der Klägerin ist verjährt.

Zur Übersicht wird den Erwägungen des Senats folgende Zeittafel vorangestellt:

 
27.8.2004 Tod der Erblasserin.
19.5.2005 Auskunftsverlangen der Klägerin.
6.6.2005 Beklagter übersendet Bestandsverzeichnis (K 2).
9.1.2006 Klägerin fordert zur ordnungsgemäßen Auskunft auf.
27.8.2007 Eingang der Klageschrift mit PKH-Antrag und der Erklärung, dass die Klage unabhängig von der Gewährung von Prozesskostenhilfe erhoben wird. Weiter ist in dem Schriftsatz die Bemerkung enthalten, dass die Erklärung gem. § 117 Abs. 2 ZPO nachgereicht werde. Ein Gerichtskostenvorschuss wird nicht einbezahlt.
29.8.2007 Das Landgericht fordert den Gegner zur Stellungnahme auf, diese Verfügung wird expediert am 19.9.2007.
8.10.2007 Stellungnahme des Beklagten.
9.10.2007 Das Landgericht fordert (ohne Fristsetzung) die Klägerin zur Erklärung zu den wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen auf. Diese Verfügung wird expediert am 18.10.2007.
26.11.2007 Die Erklärung gemäß § 117 Abs. 2 ZPO geht ein.
26.11.2007 Prozesskostenhilfe wird bewilligt.
3.12.2007 Klagezustellung verfügt.
7.12.2007 Klage zugestellt.
18.1.2008 Der Beklagte erhebt erstmals die Einrede der Verjährung.
11.3.2008 Termin (Bl 48). Der Beklagte erklärt sich mit der Gutachtenserholung einverstanden. Es ergeht Gerichtsbeschluss, wonach neuer Termin auf Antrag bestimmt werde.
6.11.2008 Schriftsatz der Klagepartei (Eingang 10.11.2008), womit ein Schreiben an die Gegenseite "zu Beweiszwecken" vorgelegt wird.
30.4.2009 Das erste Parteigutachten im Auftrag der Klägerin ist erstellt.
19.6.2009 Schriftsatz der Klägerin (Eingang 22.6.2009), worin es heißt, dass das von der Klägerin erholte Sachverständigengutachten "zu Beweiszwecken" vorgelegt werde.
30.6.2009 Schreiben des Beklagtenvertreters an den Klägervertreter (B 4), dass das Gutachten falsche Ansätze enthalte und der Beklagte einem Verg...

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