Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung FGO). Das FG hat zu Recht entschieden, dass ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch beim Erben der Besteuerung aufgrund Erbanfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. ErbStG unterliegt. Auf die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben kommt es nicht an.

1. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer. Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 BGB), durch Vermächtnis (§§ 2147 ff BGB) oder aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs (§§ 2303 ff BGB). Erbanfall ist der Übergang der Erbschaft auf den oder die Erben (§ 1942 BGB). Nach § 1922 iVm § 1942 BGB geht das vererbbare Vermögen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes auf den oder die Erben über, d. h. der Erbe oder die Erben (Erbengemeinschaft) treten umfassend in die Rechtsposition des Erblassers ein (Fischer in Fischer/Jüptner/ Pahlke/Wachter, ErbStG, 5. Aufl., § 3 Rn 100).

a) Maßgebend für die Bestimmung, welche Vermögensgegenstände am Stichtag dem Vermögen des Erblassers zuzuordnen sind und als Nachlassvermögen auf den oder die Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehen, ist allein das Zivilrecht. Eine wirtschaftliche Betrachtungsweise ist insoweit ausgeschlossen. Dies folgt bereits aus der ausdrücklichen Verweisung in § 3 Abs. 1 Nr. 1, 1. Alt. ErbStG auf § 1922 BGB (vgl. BFH Urt. v. 15.10.1997 II R 68/95, BFHE 183, 248, BStBl II 1997, 820; BFH-Beschl. v. 23.1.1991 II B 46/90, BFHE 163, 233, BStBl II 1991, 310; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl., § 10 Rn 14 a; Weinmann in Moench/Weinmann, § 10 ErbStG Rn 8 a; Szczesny in Tiedke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 10, Rn 10; Gebel in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 10 Rn 16; Schuck in Viskorf/Knobel/Schuck/Wälzholz, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 4. Aufl., § 10 ErbStG Rn 5; Jochum in Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 10 Rn 33; Jochum in Götz/Meßbacher-Hönsch, eKomm, Bis 30.6.2016, § 10 ErbStG Rn 33 – Aktualisierung vom 10.11.2016 – ; R E 12.2 Abs. 2 S. 1 der Erbschaftsteuer-Richtlinien 2011).

b) Auch ein vom Erblasser nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch gehört zum Nachlass.

aa) Nach § 2303 Abs. 1 S. 1 BGB kann ein Abkömmling des Erblassers, der durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen ist, von dem Erben den Pflichtteil verlangen. Das gleiche Recht steht den Eltern und dem Ehegatten des Erblassers zu, wenn sie durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen sind (§ 2303 Abs. 2 S. 1 BGB). Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB).

bb) Der überlebende Ehegatte, der die Erbschaft ausschlägt, kann neben dem Ausgleich des Zugewinns den Pflichtteil auch dann verlangen, wenn dieser ihm nach den erbrechtlichen Bestimmungen nicht zustände (§ 1371 Abs. 3 1. HS BGB). Dem die Erbschaft ausschlagenden Ehegatten bleibt somit im Falle des gesetzlichen Güterstands das Pflichtteilsrecht erhalten. Durch diese Regelung wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der überlebende Ehegatte ein schutzwürdiges Interesse an der Ausschlagung haben kann. Er soll in seiner Entschließung, ob er die Erbschaft mit erhöhtem gesetzlichen Erbteil oder den Ausgleich des Zugewinns zusammen mit dem Pflichtteil wählen will, frei sein (Palandt/Brudermüller, BGB, 76. Aufl., § 1371 Rn 19).

cc) Der Pflichtteilsanspruch ist ein Geldanspruch (BGH Urt. v. 1.10.1958 V ZR 53/58, NJW 1958, 1964; Palandt/ Weidlich, aaO, § 2303 Rn 7), der nach § 2317 Abs. 1 BGB bereits mit dem Erbfall als Vollrecht entsteht und von da an zivilrechtlich zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten gehört (vgl. BGH-Urt. v. 8.7.1993 IX ZR 116/92, BGHZ 123, 183), und zwar unabhängig davon, ob er gegen den oder die Erben geltend gemacht wird (vgl. Hülsmann in Wilms/Jochum, aaO, § 3 Rn 147). Der Pflichtteilsanspruch ist zwar nur unter den Voraussetzungen des § 852 Abs. 1 der Zivilprozessordnung, d. h. bei vertraglicher Anerkennung oder Rechtshängigkeit pfändbar, sodass ein Pfändungsgläubiger dem Pflichtteilsberechtigten die Geltendmachung des Anspruchs nicht aufzwingen kann (vgl. BGH-Urt. v. 6.5.1997, IX ZR 147/96, NJW 1997, 2384). Der bereits mit dem Erbfall zivilrechtlich entstandene Pflichtteilsanspruch ist jedoch nach § 2317 Abs. 2 BGB vererblich und übertragbar und gehört somit beim Ableben des Pflichtteilsberechtigten zu dessen Nachlass. Der Erbe des Pflichtteilsberechtigten kann den durch Erbanfall erworbenen Pflichtteilsanspruch geltend machen, selbst wenn der verstorbene Pflichtteilsberechtigte dies persönlich zu Lebzeiten unterlassen hatte (so auch Geck in Kapp/Ebeling, § 3 ErbStG Rn 211.1; Hülsmann in Wilms/Jochum, aaO, § 3 Rn 154).

c) Die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruchs ist bei einem ererb...

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