Im Zuge der Frage nach der Berücksichtigung der latenten Steuern bei Nachlassgegenständen des Privatvermögens im Pflichtteilrecht wurde darauf hingewiesen, der Erbe habe es durch richtiges "Timing" des Verkaufs selber in der Hand, die Steuerpflicht insgesamt zu vermeiden, während der fiktive Steueranteil vom Pflichtteilberechtigten indirekt und unwiderruflich zu tragen sei.[29]
Allerdings haben in der ertragsteuerlichen Praxis im Privatvermögen die Besteuerung von Wertpapierverkäufen gem. § 20 II S.1 EStG und die Regelung des § 23 I EStG (sog. Spekulationssteuer)[30] bei privaten Immobilienvermögen aufgrund jüngerer fiskalpolitisch motivierter Entscheidung des Gesetzgebers, stark an Häufigkeit bzw. Aktualität gewonnen:[31]
Mit Wirkung ab 1.1.1999 sind Gewinne oder Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften von Wertpapieren sowie aus Termingeschäften nicht mehr als sonstige Einkünfte aus § 23 EStG, sondern als Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 II S. 1 EStG zu versteuern, womit eine Streichung der bisherigen Spekulationsfrist von einem Jahr verbunden ist. Dies hat für diese Vorgänge eine zeitlich unbegrenzte Besteuerung zur Folge.
Bei privaten Immobilienverkäufen im Rahmen des § 23 I EStG wurde die Spekulationsfrist mit Wirkung ab 1.1.1999 von zwei auf zehn Jahre verlängert. Ferner ist bei Grundstücksverkäufen stets auch die Abgrenzung zum gewerblichen Grundstückshandel, mithin den Einkünften aus § 15 EStG zu beachten.[32] Liegt gewerblicher Grundstückshandel vor, hat dies weitreichende steuerliche Konsequenzen: zum einen ist ein Veräußerungsgewinn gewerbesteuerpflichtig, zum anderen gibt es keine Spekulationsfrist von 10 Jahren.
Hierdurch und durch die dargestellte Verlängerung bzw. Abschaffung der Haltefristen bei Immobilien bzw. Wertpapieren erhöht sich die "Besteuerungsgefahr" dieser Wirtschaftsgüter für die Zukunft. Ähnlich wie im unternehmerischen Bereich, haftet die Besteuerung der stillen Reserven dem Wertgegenstand mithin langfristig bzw. dauerhaft an. Eine Differenzierung bei der Berücksichtigung latenter Steuern zwischen Betriebs- und Privatvermögen ist daher weder im Rahmen der Zugewinn- als auch der Pflichtteilsberechnung überzeugend, wenn eine Solche nicht ohnehin schon gegen den allgemeinen Gleichheitssatz Art 3 I GG verstößt.[33]
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