Berlin, 15. November 2013

Im Rahmen des europaweiten Fortbildungsprogramms zur EU-Erbrechtsverordnung[1] (ErbRVO) fand am 15. November 2013 in Berlin das erste der beiden in Deutschland ausgerichteten Seminare statt.[2] Die zweite, für Teilnehmer kostenfreie Veranstaltung aus der von der Kommission kofinanzierten Fortbildungsreihe[3] des Rates der Notariate der Europäischen Union (C.N.U.E.), findet am 13. Juni 2014 in Kooperation mit dem niederländischen Notariat in Düsseldorf statt.

Als Partner des Projekts organisierte die Bundesnotarkammer in Kooperation mit der polnischen Notarkammer das Seminar in den Tagungsräumen des Deutschen Anwaltsinstituts in Berlin. Die Fortbildungsveranstaltung richtete sich damit in erster Linie an polnische und deutsche Notare und war mit etwa 100 Gästen gut besucht. Insgesamt finden im Rahmen des Programms in den Jahren 2013 und 2014 in zehn Mitgliedstaaten 14 Seminare zu EU-Legislativinstrumenten mit Praxisrelevanz für Notare statt. Um den für die Umsetzung der Erbrechtsverordnung so wichtigen grenzüberschreitenden Informations- und Erfahrungsaustausch zu fördern, werden zu den Seminaren jeweils nicht nur Notare aus dem Veranstaltungsland, sondern auch Notare aus Partnernotariaten eingeladen.

Cindy Fökehrer, Vorsitzende des innerhalb des C.N.U.E. für die Betreuung der Seminare zuständigen Pilotkomitees, führte mit einem kurzen Überblick über die Seminarreihe in die Tagung ein. Darüber hinaus präsentierte sie den interessierten Teilnehmern die Informationsportale des C.N.U.E. zum Erbrecht (www.successions-europe.eu) und zum Güterrecht (www.couples-europe.eu), die kürzlich auf Initiative des deutschen Notariats durch ein Portal zum Erwachsenenschutz, also Vorsorgevollmachten, Betreuungsverfügungen und Patientenverfügungen, (www.vorsorge-europa.eu) ergänzt wurden. Mit diesen Portalen ermöglicht der C.N.U.E. nicht nur dem Bürger einen ersten Einblick über die Rechtslage und das jeweils anwendbare Recht in den Mitgliedstaaten, sondern liefert auch dem Rechtsanwender wertvolle Informationen.

Professor Reinhold Geimer aus München strich in seiner Einführung, die die Entstehungsgeschichte der Erbrechtsverordnung noch einmal Revue passieren ließ und politische Hintergründe beleuchtete, heraus, dass die Verordnung alles in allem ein gelungener und epochaler Schritt sei, jedoch nicht uneingeschränkt Anlass zum Jubel gebe: Die ungelöste Vorfragenproblematik im Personen- und Güterstand, die Ausklammerung Dänemarks, Großbritanniens und Irlands aus dem geografischen Anwendungsbereich sowie der Wechsel des Anknüpfungspunktes vom Staatsangehörigkeitsprinzip hin zum letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers würden die Nachlassabwicklung auch unter der Geltung der ErbRVO in bestimmten Fällen nicht erleichtern, auch weil die Grenzen des Begriffs gewöhnlicher Aufenthalt fließend und deshalb streitanfällig seien. Er bemängelte zudem das Fehlen einer klaren Regelung über die Bindungswirkung beim gemeinschaftlichen Testament, weshalb derzeit nicht wenige Stimmen in der Literatur dazu rieten, im internationalen Kontext so lange die Finger vom gemeinschaftlichen Testament zu lassen, bis die Rechtslage höchstrichterlich geklärt sei.[4] Aus Sicht des Kautelarjuristen bleibe daher nur die Rechtswahl, um kollisionsrechtlich einigermaßen Rechtssicherheit und Kontinuität zu erreichen und zu bewahren.

In vier Vorträgen von deutschen und polnischen Referenten wurde daraufhin den Teilnehmern das nötige Rüstzeug zur ErbRVO vermittelt. Den zentralen Ausgangspunkt der Veranstaltung bildete ein Fall mit mehreren Abwandlungen, anhand dessen die zuvor erworbenen Kenntnisse praxisnah aus der Perspektive der polnischen und der deutschen Rechtsordnungen zur Lösung eingesetzt werden konnten.

Eingangs brachte Jerzy Pisuliński, Professor an der Jagiellonen-Universität in Krakau, den Teilnehmern die Grundzüge der ErbRVO nahe. Diese ist bereits am 16. August 2012 in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Großbritanniens, Irlands und Dänemarks[5] in Kraft getreten, ihre Anwendbarkeit ist hingegen erst nach einer dreijährigen Übergangszeit für Todesfälle ab dem 17. August 2015 vorgesehen. Aufgrund ihrer universellen Geltung wird die ErbRVO auch im Verhältnis zu Drittstaaten, zu denen im Rahmen der ErbRVO auch Großbritannien, Irland und Dänemark gehören, Wirkungen zeitigen, sofern Angehörige dieser Staaten mit letztem gewöhnlichem Aufenthalt in den Mitgliedstaaten der ErbRVO bzw. umgekehrt Angehörige der Mitgliedstaaten in einem Drittstaat versterben. Es sei jedoch nach Art. 75 ErbRVO zu beachten, dass bilaterale völkerrechtliche Verträge gegenüber den Regelungen der ErbRVO vorrangig sind. Auf deutscher Seite sind das deutsch-persische Niederlassungsabkommen vom 17. Februar 1929, der deutsch-türkische Konsularvertrag vom 28. Mai 1929 sowie der deutsch-sowjetische Konsularvertrag vom 25. April 1958 zu beachten. Auch Polen hat mit verschiedenen Drittstaaten internationale Übereinkommen abgeschlossen, die erbr...

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