Manchmal erbt man Dinge, die sozialhilferechtlich einfach nicht geschont sind. Schonvermögen liegt vor, wenn Vermögen nicht vorrangig zur Selbsthilfe eingesetzt oder verwertet werden muss. Dann spricht man von normativ geschonten Mitteln. Im SGB II ist der normative Schontatbestand in § 12 SGB II geregelt. Im SGB XII ist es § 90 SGB XII. Hierhin sollte der Blick gehen, wenn Eltern ihr selbst bewohntes Familienhaus an Kinder vererben oder verschenken wollen, deren Lebenslauf dafür spricht, dass sie auf Dauer nicht auf eigenen Füssen werden stehen können. Das LSG NRW hatte einen solchen Fall zu entscheiden, bei dem zwischen Erbfall und Sozialhilfebedürftigkeit 12 Jahren lagen.

Der Fall: Die zu große Wohnung

Ein Bauingenieur hatte von seinen Eltern eine im Dachgeschoss gelegene Wohnung nebst Kellerräumen und einem Sondernutzungsrecht an einem Spitzboden sowie einen Miteigentumsanteil an einem Garagengrundstück erhalten und bewohnte diese Wohnung nach dem Tod der Eltern selbst. Seit 2005 stand der Ingenieur im Leistungsbezug. In 2014 begann der Leistungsträger mit der Prüfung, ob verwertbares Vermögen in der Wohnung liegt, die der Ingenieur zunächst selbst mit 117 qm angegeben hatte. Da er die Besichtigung seiner Wohnung konsequent verweigerte, wurden ihm Leistungen nur noch darlehensweise gewährt und später – mangels Verwertungsbemühungen – gar nicht mehr. Dagegen wendete sich der Kläger.

Der Kläger unterlag vor dem LSG NRW, weil die angemessene Wohnfläche einer Eigentumswohnung für eine Person nur 80 qm beträgt. Ggf. kann unter Verhältnismäßigkeitsgründen ein Zuschlag von bis zu 10 qm gemacht werden.[18]

Vorliegend hatte der Senat aus der Bauakte eine Wohnfläche von 98,58 qm ermittelt und dabei ausgeführt, dass auch eine nicht erteilte Genehmigung für die Einbeziehung eines Teils der Fläche kein Hindernis darstelle. Eine nicht erteilte Genehmigung habe allenfalls Auswirkungen auf den Verkehrswert. Damit besteht Verwertbarkeit auch in Bezug auf nicht genehmigte Flächen.

Die Entscheidung ist bemerkenswert, weil das LSG sodann § 90 Abs. 3 SGB XII (Härte) und § 91 SGB XII (Darlehensgewährung statt sofortiger Verwertung) prüfte und verneinte. Die Gewährung eines Darlehens anstelle eines Zuschusses wurde vom LSG verweigert, weil vom Kläger keinerlei Schritte zur Verwertung eingeleitet worden seien. Die Sanktionsmechanismen der §§ 31, 34 SGB II reichten nicht aus, um den Antragsteller zur geschuldeten Selbsthilfe anzuhalten. Damit erteilte das LSG der (richtigen!) Auffassung, dass zumindest immer das physische Existenzminimum abgesichert werden muss, und sei es durch Sachleistungen, eine Absage.

Diese Entscheidung ist nur eine von diversen Entscheidung aus jüngster Zeit, die sich mit der fehlenden Motivation des erbrechtlich Begünstigten beschäftigten, den erbrechtlichen Zufluss dazu zu nutzen, sich von der Sozialleistung unabhängig zu machen. In einer Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg ging es um einen Miterbenanteil an einer Immobilie, der mit Nießbrauchrechten bzw. einem lebenslangen Wohnungsrecht von Mutter und Stiefmutter belastet war. Die Antragstellerin hatte vorgetragen, sie wolle keine Schulden aufbauen, deshalb komme eine Beleihung des Grundstücks nicht in Betracht. Dass der Bruder die Veräußerung des Grundstücks verweigerte, sah das LSG ebenfalls nicht als ausreichend an. Entscheidend sei vielmehr, dass nicht glaubhaft gemacht worden sei, dass überhaupt ein Interesse an der Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft bestanden habe. Eine Teilungsversteigerung könne nicht wegen familienhafter Rücksichtnahme verweigert werden. Den Auseinandersetzungsanspruch gegenüber ihrem Bruder habe sie nicht ernstlich geltend gemacht. Der Bruder hatte immerhin 40.000 EUR angeboten. Mit ein wenig mehr Engagement hinsichtlich einer wahrscheinlich aussichtslosen Teilungsversteigerung hätte die Antragstellerin voraussichtlich noch für einen längeren Zeitraum Leistungen erhalten können.

Eine Entscheidung des Bayerischen LSG vom 23.6.2016 betrifft einen scheinbar besonders cleveren Bezieher von "Hartz-IV", der ebenfalls eine Affinität zu Grund und Boden hatte.

Der Fall: Der Erwerb einer Immobilie und Hartz-IV

Der Kläger stand seit 2005 im Leistungsbezug. Zuletzt waren ihm am 18.11.2011 wegen einer zu erwartenden Erbschaft Leistungen als Darlehen gewährt worden. In der Zeit vom 2.9.2011 bis 23.3.2012 waren ihm insgesamt 76.602,37 EUR aus einer Erbschaft zugeflossen. Mithilfe eines Kredits erwarb er ein Einfamilienhaus in einer anderen Stadt zum Kaufpreis von 85.000 EUR. Nach seinem Umzug beantragte er beim dortigen Sozialleistungsträger die Gewährung von "Hartz-IV". Dieser lehnte ab.

Das LSG beschäftigte sich in seiner Entscheidung leider nicht mit der Frage, ob der Erwerb einer grundsätzlich schützenswerten Immobilie im Leistungsbezug möglich ist. Das Gericht konnte es sich einfach machen. Mit einer Wohnfläche von 103,48 qm war die Immobilie schlicht zu groß und deshalb kein Schonvermögen. Einen Sachverhalt, der geeignet sein könnt...

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