Geht es um die konkrete Höhe der Ausgleichung, könnten sich unüberwindliche praktische Schwierigkeiten auftun, wenn man versucht, Vorgänge von oft vielen zurückliegenden Jahren zusammenzutragen. Diesen Schwierigkeiten will § 2057a Abs. 3 BGB gerade vorbeugen. Danach ist der Ausgleich so zu bemessen, "wie es mit Rücksicht auf die Dauer und den Umfang der Leistungen und auf den Wert des Nachlasses der Billigkeit entspricht". Schon 1992 hat der BGH ausgeführt, für die Bemessung des unter Heranziehung dieser Kriterien zu ermittelnden Ausgleichs sei eine Aufrechnung aller Einzelposten nicht erforderlich.[2] Daran können sich Vortrag und Beweisantritte des Rechtsanwalts im Verfahren über eine Ausgleichung nach § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB orientieren. Im Folgenden soll versucht werden herauszuarbeiten, welcher Grad an Substaniierung im Einzelfall aber doch erforderlich ist, was mithin vorgetragen und bewiesen werden muss.

Auch das OLG Schleswig hat in seinem Urteil vom 15.6.2012[3] ausgeführt, für die Bestimmung der Höhe der Ausgleichung nach § 2057a BGB seien keine minutiösen Einzelfeststellungen erforderlich, vielmehr sei eine "Gesamtschau" vorzunehmen. Der Entscheidung lässt sich eine Prüfung in drei Schritten entnehmen:

Es ist zunächst die Dauer und der Umfang der auszugleichenden Leistung zu berücksichtigen, insbesondere der Leistungszeitraum und der tägliche Aufwand.
Sodann ist in die Erwägungen einzubeziehen, in welchem Umfang der Nachlass erhalten wurde. Daneben sind – im Rahmen der Billigkeit – einerseits der (immaterielle) Wert der Pflege des Abkömmlings für den Erblasser, andererseits auch die Nachteile (etwa Einkommensverluste) sowie ggf. die Vorteile (etwa lebzeitige Schenkungen) für den pflegenden Abkömmling einzustellen.
Schließlich müssen die Vermögensinteressen der übrigen Erben und der Pflichtteilsberechtigten sowie die Höhe des gesamten Nachlasses berücksichtigt werden; der Ausgleichungsbetrag darf nicht den Wert des gesamten Nachlasses erreichen.

Der erste Schritt – Dauer und Umfang, Leistungszeitraum und täglicher Aufwand -, deckt sich mit Überlegungen, die schon bei der Subsumtion unter die Gesetzestermini "während längerer Zeit" und "in besonderem Maße" anzustellen waren. Auf die Ausführungen dazu oben kann verwiesen werden.

[2] BGH NJW 1993, 1197 f, juris Rn 19 unter Hinweis auch auf BGHZ 101, 57, 64.
[3] NJW-RR 2013, 205 f = ZEV 2013, 86 ff.

aa) Wert der Pflegeleistung für den Erhalt des Nachlasses unter Einbezug des immateriellen Wertes der Pflege sowie der Nachteile und Vorteile für den Pflegenden

In seinem Beschluss vom 6.8.2014[4] hat das OLG Schleswig dazu formuliert, für die Bestimmung der konkreten Höhe der Ausgleichung würden nicht nur Art und Auswirkung der Leistung betrachtet (erster Schritt), sondern vor allem auch deren Wert für die Erhaltung oder gar Mehrung des Vermögens des Erblassers. Dabei kann der Nachlasswert – nach Abzug der Nachlassverbindlichkeiten – ersten Anhalt darüber geben, inwieweit das Gesamtvermögen des Erblassers tatsächlich durch die Leistung erhalten und gemehrt wurde.[5] Die Auswirkung der Leistung des Ausgleichungspflichtigen auf den Erhalt des Gesamtvermögens des Erblassers ist als wesentlicher Faktor bei der Bemessung der Höhe des Ausgleichungsbetrags nach Billigkeit auch deshalb von erheblicher Bedeutung, weil § 2057a Abs. 1 S 1 BGB gerade bestimmt, dass ein Abkömmling dann bei der Auseinandersetzung eine Ausgleichung verlangen kann, wenn er durch längerfristige Pflege des Erblassers (S 2 der Norm) "in besonderer Weise" dazu beigetragen hat, das Vermögen des Erblassers zu erhalten oder zu vermehren.

Da es sich andererseits um eine Billigkeitsentscheidung handelt, limitiert die etwaige Erhaltung des Vermögens durch die Leistung des Abkömmlings die Ausgleichungspflicht aber insbesondere dann nicht abschließend nach oben, wenn es um Leistungen nach § 2057a Abs. 1 S. 2 BGB geht, der Erblasser von dem Abkömmling also längere Zeit gepflegt worden ist.[6] Im Rahmen von § 2057a Abs. 3 BGB ist nämlich mit Rücksicht auf die Faktoren Dauer und Umfang der Leistung auch die besondere Bedeutung dieser Pflege für den Erblasser – ihr immaterieller Wert – zu bedenken. Der Gesetzgeber will die private Pflege durch Abkömmlinge gerade auch angesichts ihres immateriellen Wertes fördern und honorieren. Die Ausgleichung für den pflegenden Abkömmling kann deshalb durchaus höher ausfallen als der in Geld ausgedrückte Wert, um den diese Leistungen das Vermögen des Erblassers erhalten haben. Andererseits kommt aber angesichts der aufgezeigten Gesetzesvorgabe auch nicht in Betracht, den Wert der Pflegeleistung gänzlich unabhängig von ihrer konkreten Auswirkung auf den Erhalt des Nachlasses zu bestimmen.

[4] 3 W 35/14, n.v.; ebenso Urt. v. 22.11.2016, 3 U 25/16, juris.
[5] OLG Schleswig, Urt. v. 15.6.2012, aaO, bei juris Rn 58 mwN; Ann in MüKo-BGB, 6. Aufl. 2013, § 2057a Rn 34 und 35; Palandt/Weidlich, BGB, 75. Aufl. 2016, § 2057a Rn 9.
[6] OLG Schleswig, Beschl. v. 6.8.2014, 3 W 35/14, n.v.; Urt. v. 22.11.2016, 3 U 25/16, juris.

(1) Entscheidungen des OLG Schleswig

Häufig wird die Ersparnis für den Nachlass durch die Pflege des Abkömmlings daran zu messen sein, dass ohne diese Lei...

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