Ein weiterer ganz essentieller Aspekt wäre bei den Reformüberlegungen zu berücksichtigen: Die Erbschaftsbesteuerung von Ehe- (und Lebens-)partnern lässt völlig unbeachtet, dass die Vermögensbildung in unserer in vielem gewandelten Gesellschaft heute in der Regel ein partnerschaftliches und familiäres "Gemeinschaftswerk" ist, das sich im Laufe einer Ehe (oder Partnerschaft) vermehrt, verstärkt und verfestigt. Es endet nicht mit dem Tod eines Partners, sondern wird von dem Überlebenden weiter erhalten und gepflegt, bis es erst bei seinem Ableben (in der Regel) an die nachfolgende Generation übergeht und erst mit diesem Akt im eigentlichen und ursprünglichen Sinne "vererbt" wird. Eigentlich sollte daher auch erst an diesem "Wendepunkt" eine Besteuerung des Empfängers des gemeinschaftlichen Nachlasses der Partner einsetzen. Wenn unsere "Wähler" das aber nicht so wollen, wird man ihnen aber wenigstens vermitteln müssen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwingend nahe legt, eine mit der Dauer der Ehe/Partnerschaft betraglich progredierende Steuerverschonung zu gewähren. In diesem Zusammenhang ist ferner darauf hinzuweisen, dass bei der heute weitgehend gewählten und allgemeinem Verständnis entsprechenden Erbfolge vom erstversterbenden Ehepartner an den überlebenden und sodann von diesem an die gemeinsamen Kinder (z. B. nach dem "Berliner Testament" oder im Wege der Vor- und Nacherbschaft) eine doppelte Erbschaftsbesteuerung des dem erstversterbenden Ehepartner zugeordneten familiären Vermögensteils erfolgt. Außerdem bleiben die Freibeträge der beim ersten Erbfall im Rechtssinne "enterbten" Kinder zwangsläufig ungenutzt und gehen ihnen somit verloren. Die vom Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 19.2.2013 (II R 47/11)[3] zugelassene "fiktive" Nachholung des Pflichtteils eines Kindes aus dem Erbfall des ersten Elternteils beim Tode des zweiten bringt zwar eine erste Verbesserung der Verschonung. Sie müsste aber durch ausdrückliche Erstreckung auch auf zivilrechtlich schon verjährte fiktive Ansprüche ergänzt werden. In Anbetracht des Umstands, dass die Verjährung einen Anspruch nicht vernichtet, sondern dass die Einrede nur seine Durchsetzung verhindert, wäre das auch rechtsdogmatisch sauber lösbar. Im Übrigen sollte der beim ersten Erbfall "ungenutzte" Freibetrag der Kinder nicht nur im Rahmen des "fiktiven" nachgeholten Pflichtteilsanspruchs geltend gemacht werden können, sondern unabhängig davon beim zweiten Erbfall kraft Gesetzes gewährt werden. Es geht dabei z. Zt. immerhin um Freibeträge bis zu jeweils 400.000 EUR für den Einzelnen!

Die angesprochene Gemeinschafts- und Familienkomponente könnte und sollte strukturell in das Erbschaftsteuergesetz in der Form eingearbeitet werden, dass die Freibeträge der Ehe-(und Lebens-)partner progressiv während der ununterbrochenen Dauer ihrer Ehe bzw. Partnerschaft sukzessive und gleichmäßig bis zu einem endgültigen "Deckelungsbetrag" angehoben werden, den man bei 3 Millionen EUR ansetzen mag. Das ist ein Betrag, der zugleich auch die – naturgemäß fließende und von jedem subjektiv empfundene – Grenze zwischen "Wohlhabenheit" und "Reichtum" kennzeichen könnte.

[3] NJW 2013, 2623.

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