Leitsatz

Sind in einem gemeinschaftlichen Testament zwei der gemeinschaftlichen Abkömmlinge zu Schlusserben eingesetzt, so bezieht sich die Bindungswirkung dieser Schlusserbeneinsetzung für den Längerlebenden im Zweifel auch auf den Erbteil, der einem der Kinder aufgrund eines entgeltlichen Zuwendungsverzichtes des anderen Kindes mit Erstreckung auf dessen Abkömmlinge angewachsen ist.

OLG Hamm, Beschluss vom 28. Januar 2015 – I-15 W 503/14

Sachverhalt

Aus der Ehe E mit dem vorverstorbenen M sind drei Kinder hervorgegangen: der Beteiligte A und seine Schwestern B und C. Die Beteiligte Y ist eine Tochter von C.

Die Eheleute errichteten am 4.1.1980 ein formwirksames Ehegattentestament, in dem sie unter Ziffer 1 die folgende Verfügung getroffen haben:

Zitat

"Wir, die Eheleute M und E setzen uns gegenseitig zum Erben ein. "

Als Nacherben im Sinne von § 2100 BGB und Erben des Überlebenden von uns setzen wir unsere Kinder A und C. Unsere Tochter B soll auf Grund ihres antifamiliären Verhaltens nur das gesetzlich festgelegte Erbteil bekommen. Der überlebende Ehegatte ist befreiter Vorerbe.“

Unter Ziffer 5 ihres Ehegattentestaments ordneten die Eheleute an, dass ein Kind, dass nach dem Tode des zuerst Versterbenden seinen Pflichtteil verlange, auch nach dem Tode des zuletzt Versterbenden nur den Pflichtteil erhalten solle.

Am 24.1.1991 errichteten die Eheleute gemeinsam eine als "Ergänzung unseres gemeinschaftlichen Testaments vom vierten Januar eintausendneunhundertachtzig" bezeichnete letztwillige Verfügung, in der sie "vorsorglich" klarstellten, dass es sich bei dem dort unter Ziffer 1 der Tochter B zugedachten, gesetzlich festgelegten Erbteil um den Pflichtteil handele und B keine Miterbin werden solle.

Nach dem Tod ihres Ehemannes wurde der E auf ihren Antrag ein Erbschein als befreite Vorerbin erteilt (AG Dortmund 11 VI 167/99).

Am 26.3.2001 schloss die Erblasserin E mit ihren Kindern A und C einen notariellen Vertrag, in dem die Vertragsbeteiligten erklärten, dass C in der Vergangenheit von der Erblasserin Zahlungen von insgesamt 150.000,00 DM erhalten habe. C wolle daher ihr Nacherbenrecht auf den A übertragen und aus der gesetzlichen Erbfolge nach der Erblasserin insgesamt ausscheiden sowie auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht nach der Erblasserin verzichten. (...)

C verstarb im Februar 2002.

Am 15.8.2013 errichtete die Erblasserin ein handschriftliches Testament, in dem sie die Beteiligten zu 2) und 3) zu ihren Erben bestimmte.

Die Erblasserin verstarb im November 2013. In der notariellen Urkunde vom 10.2.2014 hat A, der Beteiligte zu 1), beantragt, einen Erbschein zu erteilen, der ihn als Alleinerben nach der Erblasserin ausweist. Die Beteiligten zu 2) und 3) sind der Erteilung des Erbscheins entgegengetreten. Sie vertreten die Ansicht, dass sie die Erben der Erblasserin sind.

Durch Beschluss vom 30.10.2014 hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – in Bezug auf den Antrag des Beteiligten zu 1) die zur Erteilung des Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.

Gegen diesen ihnen jeweils am 5.11.2014 zugestellten Beschluss richten sich die frist- und formgerecht eingelegten Beschwerden der Beteiligten zu 2) und 3).

Das Amtsgericht hat den Beschwerden durch Beschluss vom 19.11.2014 nicht abgeholfen und selbige dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. (...)

Aus den Gründen

Die Beschwerde ist gemäß § 58 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

(...)

In der Sache haben die Beschwerden keinen Erfolg.

Der Beteiligte zu 1) ist auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute vom 4.1.1980 in Verbindung mit dem von seiner Schwester C in der notariellen Urkunde vom 26.3.2001 erklärten Zuwendungsverzicht Alleinerbe nach der Erblasserin geworden.

In ihrem gemeinschaftlichen Ehegattentestament vom 4.1.1980 haben die Eheleute ihre Kinder A, den Beteiligten zu 1), und C, zu Erben des Letztversterbenden berufen. Die Erbeinsetzung der Tochter C ist dadurch weggefallen, dass diese in dem notariellen Vertrag vom 26.3.2001 auf diese testamentarische Berufung verzichtet hat. Die Auslegung dieses Vertrages ergibt, dass der dort vereinbarte entgeltliche Verzicht sich nicht lediglich auf das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht bezieht, sondern auch die testamentarische Erbeinsetzung in dem Testament vom 4.1.1980 umfasst.

C hat in dem mit der Erblasserin und dem Beteiligten zu 1) geschlossenen notariellen Vertrag vom 26.3.2001 erklärt, dass sie im Hinblick auf von der Erblasserin in der Vergangenheit erhaltene Zahlungen von 150.000 DM und weitere avisierte Zahlungen von 30.000 DM, insgesamt aus der Erbfolge nach der Erblasserin ausscheiden will. Der von ihr unter Ziffer III dieser notariellen Urkunde erklärte Erbverzicht bezieht sich daher nicht nur auf ein etwaiges gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht, sondern auch auf die allen Vertragsbeteiligten bekannte Einsetzung als hälftige Erbin nach der Erblasserin in dem gemeinschaftlichen Ehegattentestament vom 4.1.1980. Mit dem von ihr erklärten Zuwendungsverzicht ist C als Erbin weggefallen ...

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