Der Kläger, Revisionsbeklagte und Anschlussrevisionskläger (Kläger) erhielt von der im Jahr 1920 geborenen und im Dezember 2009 verstorbenen Erblasserin (E), mit der er weder verwandt noch verschwägert war, im Wege des Vermächtnisses zwei zu Wohnzwecken vermietete Eigentumswohnungen im Gesamtwert von 103.104 EUR. Testamentarischer Alleinerbe der E war ihr Neffe.

Der Kläger hatte seit 2004 eine General- und Versorgungsvollmacht der E. Er leistete ihr in den letzten Jahren vor ihrem Tod regelmäßig Hilfe u. a. in Form von Unterstützung bei hauswirtschaftlichen Verrichtungen, bei der Erledigung von Botengängen und Schriftverkehr, durch Begleitung bei Arztbesuchen oder Vorsprachen bei Behörden. E lebte bis Mai 2009 alleine in ihrer Wohnung; nach einem stationären Krankenhausaufenthalt war sie von Juli 2009 bis zu ihrem Tod in einem Pflegeheim untergebracht. Seit 1. Mai 2009 war E in Pflegestufe I und seit 1. Juli 2009 in Pflegestufe II eingeordnet.

Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlussrevisionsbeklagte (das Finanzamt – FA –) setzte gegen den Kläger Erbschaftsteuer fest, wobei es den Wert der Wohnungen gemäß § 13 c des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der für das Jahr 2009 geltenden Fassung (ErbStG) mit 90 % der festgestellten Grundbesitzwerte zugrunde legte und im Rahmen des Einspruchsverfahrens zunächst Pflegeaufwendungen für den Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis zum 31. Dezember 2009 in Höhe von insgesamt 11.688 EUR anerkannte.

Nach einer Prüfung des Rechnungshofs erhöhte das FA die Erbschaftsteuer in der Einspruchsentscheidung vom 7. Dezember 2011 auf 21.270 EUR. Dabei berücksichtigte es nur noch einen Freibetrag für Pflegeleistungen für die Monate Mai und Juni 2009 in Höhe von 755 EUR (420 EUR x 2 x 89,9 %). Der Pflegefreibetrag sei erst ab Vorliegen der Pflegebedürftigkeit iSd Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und nur bis zum Zeitpunkt einer vollstationären Pflege zu gewähren. Außerdem sei der Wert der Pflegeleistungen anteilig zu kürzen, weil wegen der Steuerbefreiung nach § 13 c ErbStG der Steuerwert des Vermächtnisses (91.666 EUR) nur 89,9 % des Verkehrswerts (101.976 EUR) betrage.

Nach Erhebung der Klage wurde die Steuerfestsetzung mit Bescheid vom 6. Juli 2012 im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Verfahren II R 9/11 nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 3 und 4 der Abgabenordnung für vorläufig erklärt. Die Klage hatte teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG) erkannte einen Freibetrag für Pflegeleistungen in Höhe von 4.725 EUR an und setzte die Erbschaftsteuer gegen den Kläger auf 20.070 EUR herab. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG erfordere weder das Vorliegen der Pflegebedürftigkeit noch die Erbringung von Pflegeleistungen iSd §§ 14, 15 SGB XI. Der Begriff der Pflege iSd § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG sei weit zu verstehen. Der Kläger habe der E Pflege in diesem Sinne gewährt, jedoch Zweifel am geltend gemachten zeitlichen Umfang der erbrachten Leistungen nicht gänzlich ausräumen können. Deshalb sei nach Würdigung der gesamten Umstände des Streitfalls davon auszugehen, dass er in den fünf Jahren vor dem Tod der E insgesamt 315 Stunden Pflegeleistungen erbracht habe. In Anlehnung an vergleichbare Dienstleistungsvergütungen sei ein Stundensatz von 15 EUR angemessen, sodass die Pflegeleistungen mit 4.725 EUR (315 Stunden x 15 EUR/Stunde) zu bewerten seien. (...)

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG. Die Revisionsbegründung wurde den Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 11. Oktober 2012 zugestellt.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen. Darüber hinaus begehrt der Kläger mit Schriftsatz vom 19. November 2012, der am 21. November 2012 beim BFH eingegangen ist, weiterhin die Anerkennung des vollen Freibetrags in Höhe von 20.000 EUR. (...)

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