Eine Bewertung der zurückhaltenden Regelung ist nicht einfach: Einerseits könnten so die Selbstbestimmung und die körperliche Integrität gestützt werden, weil rechtlicher und praktischer Aufwand Zwangsmaßnahmen erschweren. Anderseits kann eine Gefahr gesehen werden, dass diese Vorschrift in Pflegeheimen und im ambulanten Bereich aufgrund fehlender Ressourcen und mangelhafter Kompetenz umgangen wird.

Das gilt gerade für medikamentöse Behandlungen, bei denen Medikamente "untergemischt" werden, damit sich der Betroffene nicht wehrt, was eine ärztliche Zwangsmaßnahme darstellt.[25] Es fehlt oft an fachlich und sprachlich qualifizierten Pflegepersonen mit ausreichend Zeit, um die Betroffenen zur freiwilligen Medikamenteneinnahme zu überzeugen oder mit den Folgen einer Verweigerung umzugehen.[26] "Beruhigende" Medikationen und so genannte "Multimedikationen", bei denen die Wechselwirkungen verschiedener Arzneimittel nicht berücksichtigt werden, können die Folge sein. Im Rahmen der privaten Versorgung durch Angehörige kann es wiederum zu Rat- und Hilflosigkeit und in der Folge zu gesetzeswidrigen Handlungen kommen. Der ambulante Bereich wird nach hier vertretener Ansicht ein Problemfeld mit rechtlichen Unsicherheiten, Hilflosigkeit und Grauzonen auch mit häuslicher Gewalt bleiben,[27] dem noch viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet wird.

[25] LG Lübeck 7 T 19/14, BeckRS 2014, 16582.
[26] Sehr instruktiv und im www frei zugänglich zu Verhaltensstörungen bei Demenz und deren medikamentöse, aber besonders nicht-medikamentöse Behandlung: Kratz, Dtsch Arztebl Int 2017; 114 (26): 447-54.
[27] Ähnlich schon Zimmermann zu den Änderungen im Jahr 2013, NJW 2014, 2479.

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