Grundsätzlich gilt im FG-Verfahren und damit auch im Erbscheinsverfahren das Freibeweisverfahren. Nach pflichtgemäßem Ermessen kann aber gemäß § 30 Abs. 1 FamFG die Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen im Wege des Strengbeweises durch eine förmliche Beweisaufnahme geboten sein, wenn dies zur Sachverhaltsfeststellung notwendig erscheint,[47] z. B. wenn nur durch ein Strengbeweisverfahren im konkreten Fall eine erforderliche Einflussnahme der Beteiligten auf die Sachverhaltsfeststellung hinreichend gewährleistet werden kann, weil nur hier Beteiligtenöffentlichkeit besteht.[48] Nach § 30 Abs. 3 FamFG soll eine förmliche Beweisaufnahme insbesondere in Bezug auf solche Tatsachen stattfinden, die als entscheidungserheblich vom Gericht für wahr gehalten, aber von einem Beteiligten ausdrücklich bestritten werden.[49] Nach BGH[50] müssten etwa die Feststellungen zum Ausschluss einer freien Willensbildung durch Sachverständigengutachten gelegt sein.

Für die Amtsverschwiegenheit und die Zeugnisverweigerungsrechte verweist § 28 Abs. 2 FamFG auf die §§ 376, 383390 ZPO, 18 BNotO.[51] Dies bereitet insbesondere dann Schwierigkeiten, wenn es um die Einschätzung der Testierfähigkeit des Erblassers geht. Der Arzt kann und muss aber idR als sachverständiger Zeuge gehört werden. Die ärztliche Schweigepflicht gewährt ihm regelmäßig kein Zeugnisverweigerungsrecht iSd § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO, da die Eruierung der Testierfähigkeit dem wohlverstandenen Interesse des Erblassers, und damit eine Befreiung von der Schweigepflicht dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entspricht.[52] Der Notar muss vom Präsidenten des Landgerichts von seiner Schweigepflicht entbunden werden.[53]

Im Erbscheinsverfahren gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 37 Abs. 2 FamFG). Auch ein Anscheinsbeweis kommt in Betracht,[54] z. B. dann, wenn eine Testierunfähigkeit kurz vor und kurz nach dem Testat gegeben war; dann ist ein lucidum intervallum mehr als unwahrscheinlich, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen (s. noch näher unten).[55]

[47] OLG München FamRZ 2007, 2009; OLG Frankfurt ZErb 2002, 49; Kammerlohr, JA 2003, 143, 144.
[48] Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 30 FamFG Rn 5 ff.
[49] Siehe hierzu Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 30 FamFG Rn 10 ff.
[51] Siehe hierzu Schulte-Bunert/Weinreich/Brinkmann, § 29 FamFG Rn 28 ff; dieser Verweis gilt auch für das Freibeweisverfahren, bei dem die strengen Regeln der ZPO sonst nicht gelten, Prütting/Helms/Prütting, § 29 FamFG Rn 10.
[52] NK-BGB/Beck/Kroiß, § 2229 BGB Rn 37 ff mwN; OLG Naumburg NJW 2005, 2017; Spickhoff, NJW 2005, 1982; Hülsmann/Baldamus, ZEV 1999, 91; Damrau/Weber, § 2229 Rn 49 ff.
[53] Krug/Rodolf/Kroiß/Krug, AnwaltFormulare Erbrecht, § 8 Rn 153; siehe BayObLG NJW 1966, 1664; NK-BGB/Kroiß, § 2358 BGB Rn 28. AG Augsburg, Beschl. v. 17.7.2013 – VI 1163/12, ErbR 2014, 142 Ls = ZEV 2014, 36: Auch dem Mitarbeiter der Krankenversicherung des Erblassers, der iRd Amtsermittlung zum geistigen Zustand des Erblassers befragt werden soll, steht im Erbscheinsverfahren regelmäßig kein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 35 Abs. 3 SGB I zu.
[54] Prütting/Helms/Prütting, § 26 FamFG Rn 55.
[55] So zu Recht MüKo/J. Mayer, § 2358 BGB Rn 36, siehe noch unten.

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