I. Der Erblasser war verheiratet mit der am 19.5.2013 vorverstorbenen C. L. (fortan auch nur: Ehefrau). Aus der Ehe war der Beteiligte zu 1 als einziges Kind hervorgegangen.

Mit gemeinschaftlichem Testament vom 18.8.1999 (künftig nur: Testament I) – nach über 50jähriger Ehezeit – hatten beide Eheleute den Beteiligten zu 1 zum Alleinerben nach dem Tod des Letztversterbenden von ihnen berufen. Ergänzend zu dieser Schlusserbenanordnung enthält das Testament die folgenden Bestimmungen (Bl. 6 d.A.):

"Erben außerhalb der Familie kommen nicht in Frage und somit hat unser Sohn Roland vollen Anspruch auf das vorgenannte Erbgut."

Im Falle, daß die Eigentumswohnung verkauft werden muß und der Erlös für eine Heimunterkunft für uns benötigt wird, können wir eine Testamentsänderung jederzeit zu unseren Gunsten, auch ohne Einverständnis des Sohnes vollziehen und ändern.

Auch im Fall, dass es mit unserem Sohn zu familiären Zuwiderhandlungen kommen sollte, sind wir berechtigt das Testament zu annullieren.“

Die Beteiligte zu 2 ist die Schwägerin der vorverstorbenen Ehefrau des Erblassers. Mit ihr hatte der Erblasser seit 2004 ein außereheliches Verhältnis (einschließlich gemeinsamer Urlaubsreisen) unterhalten, unter welchem die Ehefrau auch nach dem Eindruck der Tochter Heidemarie der Beteiligten zu 2 "bis zu ihrem Tod sehr gelitten hatte" (Bl. 61, 62). In diesem Konflikt zwischen seinen Eltern hatte der Beteiligte zu 1 von Anfang an auf der Seite seiner Mutter gestanden.

Mit notariellem Testament vom 7.1.2014 (Bl. 12 ff. d.A.) hatte der Erblasser die Beteiligten als Miterben je zur Hälfte eingesetzt.

Der Entwurf für dieses Testament (im folgenden: Testament II oder Einzeltestament) war (spätestens) schon im November 2013 von den jetzigen Bevollmächtigten der Beteiligten zu 2 in Auftrag gegeben und bereits am 23.12.2013 an den Erblasser übermittelt worden (vgl. Bl. 73, 73R der beigezogenen Nachlassakte 53 VI 1216/13 mit dem dortigen Vermerk über die Anhörung des Erblassers am 4.12.2013 sowie S. 2 des Testaments II = Bl. 12R).

Im Abschnitt "§ 1 Vorbemerkungen" der notariellen Urkunde vom 7.1.2014 wird zu den Beweggründen des Erblassers u.a. ausgeführt:

"Ich habe seit ca. 9 Jahren eine enge Freundschaft mit Frau K. (= Beteiligte zu 2) … , die mich jeden Tag besucht und sich um mich kümmert."

Mit meiner verstorbenen Ehefrau habe ich unterm 18.08.1999 ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet. In diesem Testament haben wir unseren Sohn Roland L. zu unserem Schlusserben berufen, uns jedoch vorbehalten, das Testament zu widerrufen, falls es mit unserem Sohn zu "familiären Zuwiderhandlungen" kommen sollte.

Mein Sohn Roland L. hat mich in den letzten 2 Jahren nur viermal besucht und sich in den letzten 2 Jahren auch sonst nicht um mich gekümmert. Hierin sehe ich eine "familiäre Zuwiderhandlung", die mich berechtigt, das vorgenannte privatschriftliche Testament abzuändern.“

Gestützt auf das Testament II strebt die Beteiligte zu 2 die Erteilung eines Erbscheins an, wonach der Erblasser von den beiden Beteiligten je zur Hälfte beerbt wird (Bl. 35 d.A.). Hierzu lässt sie vorbringen:

Die Berechtigung des Erblassers zu einer Abänderung des Testaments I ergebe sich daraus, dass die dortige Öffnungsklausel bereits bei "jedweder Art des Fehlverhaltens" des Beteiligten zu 1 gegenüber seinen Eltern eingreife. Unter diesem Gesichtspunkt gehe es zu Lasten des Beteiligten zu 1, dass er sich auch nach dem Schlaganfall des Erblassers im Jahr 2008 so gut wie nicht um seinen Vater gekümmert, ihn vielmehr nur einige wenige Male, jedoch weder zu seinem 90. Geburtstag, noch zu Weihnachten noch zu anderen Feiertagen besucht habe. Das sei auch nach dem Tod der Mutter so gewesen.

Demgegenüber beantragt der Beteiligte zu 1 einen Erbschein, der ihn als Alleinerben ausweist (Bl. 44 f. d.A.). Der Beteiligte zu 1 trägt vor, dass das gemeinschaftliche Testament für den Erblasser bindend gewesen sei und dessen Ehefrau nicht damit einverstanden gewesen wäre, dass nach ihrem Tod die Beteiligte zu 2 Miterbin werde, da diese die Ehe gestört habe. Der Beteiligte zu 1 habe in diesem elterlichen Konflikt für seine Mutter Partei ergriffen. Außerdem sei der Erblasser bei Errichtung des notariellen Testaments testierunfähig gewesen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 19.7.2019 die zur Begründung des Erbscheinsantrags der Beteiligten zu 2 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet und den Antrag des Beteiligten zu 1 zurückgewiesen (Bl. 73 ff. d.A.).

Zur Zeit der Errichtung des Testaments vom 7.1.2014 habe keine Bindungswirkung mehr bestanden. Die Klausel im gemeinschaftlichen Testament, dass "bei familiären Zuwiderhandlungen" des Sohnes das Testament "annulliert" werde dürfe, sei so zu verstehen, dass bei einem ernsthaften Verstoß gegen den familiären Zusammenhalt das Testament geändert werden dürfe. Von einem solchen Verstoß sei hier auszugehen: Es sei zwar nachvollziehbar, dass der Beteiligte zu 1 sich auf die Seite der Mutter gestellt habe, als sich der...

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