Entgegen der eingangs erwähnten selbst auferlegten Beschränkung, verfassungsrechtliche Fragen weitestgehend auszuklammern, sei auf das Problem der rückwirkenden Anwendung des offenbar als arithmetischen Mittels zwischen 12,5 und 15 entstandenen Kapitalisierungszinssatzes von 13,75 hingewiesen. Der Gesetzgeber war der Meinung, dass die Absenkung des bisher gültigen Kapitalisierungsfaktors von 17,857 allein zugunsten des Steuerpflichtigen wirke und daher verfassungsrechtlich unproblematisch sei.[6] Dabei wurde übersehen, dass die Absenkung des Unternehmenswerts durch die Reduzierung des Kapitalisierungsfaktors die Quote des im Substanzwertverfahren ermittelten Verwaltungsvermögens ansteigen lässt. Wegen der rückwirkenden Anwendung des neuen Kapitalisierungsfaktors kann daher die bisher zu gewährende Verschonung wegen Überschreitung der einschlägigen Quote des Verwaltungsvermögens nachträglich verloren gehen.[7] Überträgt man die Rechtsprechung des BVerfG zur echten Rückwirkung bei der Einkommensteuer[8] auf die Erb- bzw. Schenkungsteuer als Stichtagsteuer (§§ 9, 11 ErStG), so ist mE insoweit von einer echten Rückwirkung auszugehen.

Von dem grundsätzlichen Verbot echt rückwirkender Gesetze bestehen jedoch Ausnahmen. Das Rückwirkungsverbot findet im Grundsatz des Vertrauensschutzes nicht nur seinen Grund, sondern auch seine Grenze und gilt nicht, soweit sich kein Vertrauen auf den Bestand des geltenden Rechts bilden konnte.[9] Auch wenn man die sehr hohen Anforderungen zugrunde legt, die das BVerfG an die Qualität der Prognosen der Steuerpflichtigen im Bereich der Grunderwerbsteuer stellt[10], muss das Vertrauen auf den Bestand des geltenden Bewertungsrechts jedenfalls für den Zeitraum bis zum 30.6.2016 anerkannt werden. Denn die Unternehmensbewertung wurde vom BVerfG in seiner Entscheidung vom 17.12.2014[11] nicht beanstandet. Für die Steuerpflichtigen bestand daher kein Anlass zu vermuten, der Gesetzgeber werde im Rahmen der Umsetzung dieser Entscheidung die Bewertung in einer Weise verändern, die sich in konkreten Fällen zulasten der Steuerpflichtigen auswirken kann. Im Rahmen eines Reparaturgesetzes sollte den betroffenen Steuerpflichtigen daher ein Wahlrecht eingeräumt werden, für Erwerbe zwischen dem 1.1. und dem 30.6.2016 zu entscheiden, ob der bisherige oder der neue Kapitalisierungsfaktor Anwendung finden soll.

[6] BT-Drucks. 18/8911, S. 47 unten.
[7] Hannes, ZEV 2016, 554, 555, Wachter, FR 2016, 690; Koblenzer/Günther, DB 2016, 2016; Reich, BB 2016, 2647; ders. DStR 2016, 1459.
[8] BVerfG, DStR 2014, 520, 522 Rn 42.
[9] BVerG, DStR 2014, 520, 525 Rn 64.
[10] BVerG, DStR 2015, 1678, 1689 Rn 92.
[11] Hierzu Fn 3.

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