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Bis 1974 blieb ein Viertel des Betrags, der dem überlebenden Ehegatten als Alleinerbe zugefallen wäre, erbschaftsteuerfrei. Dies war an die erbrechtliche Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB angelehnt und erbschaftsteuerlich einfach zu handhaben.[2] Seit dem 1.1.1974 ist in dem Fall, in dem der überlebende Ehegatte nicht den tatsächlichen Zugewinn fordert und erhält, für – ausschließlich – erbschaftsteuerliche Zwecke dennoch nach § 5 Abs. 1 ErbStG nach zivilrechtlichen Grundsätzen eine fiktive Berechnung eines Zugewinnausgleichs durchzuführen. Die steuerrechtlichen Fragen, um die es in diesem Beitrag geht, können deshalb nicht ohne die zivilrechtlichen Grundlagen betrachtet werden. Besondere Schwierigkeiten können Fallkonstellationen beinhalten, bei denen die Ehegatten bereits lebzeitige Übertragungen untereinander vorgenommen haben. Dies wird hier besonders vertieft. Zusätzlich werden die unterschiedlichen steuerlichen Folgen des sogenannten fliegenden Zugewinnausgleichs und der Güterstandsschaukel erörtert.

[2] Weinmann in Moench/Weinmann, ErbStG 72/07.15, Rn 9 zu § 5.

I. Zivilrechtliche Grundlagen

1. Zugewinngemeinschaft

Sofern die Ehegatten bei Eheschließung nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbaren, treten diese nach den §§ 1363 ff BGB automatisch in den Güterstand der Zugewinngemeinschaft ein. Der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft ist faktisch ein Güterstand der Gütertrennung mit späterem Zugewinnausgleich. Denn das Vermögen der Eheleute bleibt während des Bestehens der Zugewinngemeinschaft getrenntes Vermögen.

2. Entstehung des Zugewinnausgleichs

Ausgeglichen wird der Zugewinn, den die Ehegatten während des Zeitraums ihrer Ehe erzielt haben, erst bei Beendigung der Ehe.

Der Güterstand der Zugewinngemeinschaft kann durch

Scheidung
Güterstandswechsel oder
Tod eines Ehegatten

enden. Wird die Ehe nicht durch Tod beendet, also durch Scheidung oder durch Begründung eines anderen Güterstands, erfolgt der Ausgleich rechnerisch nach den §§ 1372 ff BGB.

3. Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung

Nach § 1373 BGB ist Zugewinn, bezogen auf jeden Ehegatten, der Betrag, um den das Endvermögen das Anfangsvermögen übersteigt. Der Ehegatte, der während der Ehe den höheren Zugewinn erzielt hat, schuldet nach § 1378 Abs. 1 BGB dem anderen Ehegatten in Geld die Hälfte seines "Mehrgewinns". Der Zugewinn kann nicht negativ sein, denn in § 1373 BGB ist die Formulierung "übersteigt" enthalten.

Ergibt sich für einen Ehegatten ein niedrigerer Zugewinn als für den anderen Ehegatten, entsteht für den Ehegatten mit dem geringeren Zugewinn eine Forderung in Höhe der Hälfte der Differenz der beiden Zugewinne. Dies wird als Zugewinnausgleichsforderung bezeichnet. Nach § 1378 Abs. 3 BGB entsteht die Zugewinnausgleichsforderung mit der Beendigung der Zugewinngemeinschaft. Sie ist übertragbar und kann vererbt werden.

Im Falle einer Scheidung gilt nach § 1384 BGB für die Berechnung des Zugewinns wie für die Höhe der Zugewinnausgleichsforderung der Stichtag der "Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags". Hierunter ist die Zustellung des Scheidungsantrags zu verstehen.

 

Beispiel 1

Das Ehepaar EM und EF beendet durch ehevertragliche Begründung der Gütergemeinschaft den Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Bei EM belief sich das Anfangsvermögen[3] auf 400.000 EUR und entwickelte sich bis Beendigung der Zugewinngemeinschaft auf 648.000 EUR. Bei EF betrug das Anfangsvermögen 250.000 EUR und das Endvermögen[4] lag bei 204.000 EUR.

Der Zugewinn für das Ehepaar berechnet sich wie folgt:

 
  EM
Endvermögen 648.000 EUR
Anfangsvermögen 400.000 EUR
Zugewinn 248.000 EUR
Zugewinn EM 248.000 EUR
abzgl. Zugewinn EF 0 EUR
übersteigender Zugewinn EM 248.000 EUR
hiervon 1/2=Zugewinnausgleichsforderung EF 124.000 EUR
[3] Im Folgenden teils auch abgekürzt mit AV.
[4] Im Folgenden teils auch abgekürzt mit EV.

4. Anfangsvermögen

Unter dem Anfangsvermögen ist das Vermögen zu verstehen, das einem Ehegatten im Zeitpunkt des Beginns der Zugewinngemeinschaft gehörte. Waren auch Schulden vorhanden, dann können diese nach § 1374 Abs. 1 BGB auch zu einem negativen Anfangsvermögen führen.[5]

 

Beispiel 2

Das Ehepaar EM und EF beendet durch ehevertragliche Begründung der Gütergemeinschaft den Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Bei EM belief sich das Anfangsvermögen auf – 100.000 EUR und entwickelte sich bis Beendigung der Zugewinngemeinschaft auf + 100.000 EUR. Bei EF betrug das Anfangsvermögen 0 EUR und das Endvermögen lag bei 100.000 EUR.

Der Zugewinn für das Ehepaar berechnet sich wie folgt:

 
  EM EF
Endvermögen + 100.000 EUR 100.000 EUR
Anfangsvermögen - 100.000 EUR 0 EUR
Zugewinn 200.000 EUR 100.000 EUR
Zugewinn EM 200.000 EUR  
abzgl. Zugewinn EF 100.000 EUR  
übersteigender Zugewinn EM 100.000 EUR  
hiervon 1/2 = Zugewinnausgleichsforderung EF 50.000 EUr  

Haben die Ehegatten kein Verzeichnis über ihr Anfangsvermögen erstellt, so wird zivilrechtlich gemäß § 1377 Abs. 3 BGB vermutet, dass das Endvermögen eines Ehegatten seinen Zugewinn darstellt. Dies bedeutet, dass das Anfangsvermögen Null beträgt. Im erbschaftsteuerrechtlichen Verfahren kann das Finanzamt nach § 5 Abs. 1 S. 3 ErbStG diese Vermutung durch eigene...

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