Das Rechtsmittel hat in der Sache überwiegend Erfolg. Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der vom Kläger verfolgte Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 BGB setze voraus, dass dieser als gesetzlicher Erbe seiner Großmutter durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen worden und infolgedessen nach § 2303 BGB pflichtteilsberechtigt sei. Dies sei jedoch nicht der Fall, da der zum Zeitpunkt des Erbfalls als näherer Abkömmling noch lebende Vater der Parteien den Kläger nach § 1924 Abs. 2 BGB von der Erbfolge ausgeschlossen habe. Etwas anderes könne sich zwar aus § 2309 BGB ergeben, weil der Vater der Parteien wirksam enterbt und ihm der Pflichtteil entzogen worden sei, sodass dieser wie ein bereits zum Zeitpunkt des Erbfalls verstorbener Abkömmling zu betrachten sei. Weitere Voraussetzung sei allerdings, dass die Pflichtteilsentziehung wirksam sei. Dies stehe jedoch nicht fest und könne in diesem Rechtsstreit auch nicht wirksam festgestellt werden, da der Vater der Parteien nicht beteiligt sei.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Dem Kläger steht als Pflichtteilsberechtigtem, der in der Geltendmachung des Pflichtteils nicht durch § 2309 BGB beschränkt ist, ein Auskunftsanspruch nach § 2314 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber dem Beklagten als Erben der gemeinsamen Großmutter zu. Der Kläger kann nach § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB als Abkömmling der Erblasserin vom Beklagten als deren Erben den Pflichtteil verlangen, da er durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen wurde. Er wäre infolge der Enterbung seines Vaters durch das notarielle Testament seiner Großmutter vom 21. Mai 2001 – neben dem Beklagten – deren nächstberufener gesetzlicher Erbe gewesen. Nach § 1924 Abs. 2 BGB schließt ein zur Zeit des Erbfalls lebender Abkömmling zwar diejenigen von der Erbfolge aus, die durch ihn mit dem Erblasser verwandt sind. Dies gilt jedoch nur für den Fall, dass der nähere Abkömmling auch zur Erbfolge gelangt (vgl. nur RGZ 61, 14, 17 f; RG, JW 1913, 869, 870). Ein gesetzliches Erbrecht des entfernteren Abkömmlings besteht daher nicht nur – wie in § 1924 Abs. 3 BGB bestimmt –, wenn der nähere Abkömmling zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr lebt. Erstgenannter tritt auch dann in die Erbenstellung ein und erwirbt ein eigenständiges Erbrecht, wenn der nähere Abkömmling nicht gesetzlicher Erbe wird, weil er die Erbschaft ausgeschlagen hat (§ 1953 Abs. 2 BGB), für erbunwürdig erklärt wurde (§ 2344 Abs. 2 BGB) oder einen – beschränkten – Erbverzicht erklärt hat (§§ 2346 Abs. 1 Satz 2, 2349 BGB).

Ob der entferntere Abkömmling auch dann als gesetzlicher Erbe berufen ist, wenn – wie hier – der nähere Abkömmling durch Verfügung von Todes wegen enterbt wurde, ist umstritten. Die herrschende Meinung bejaht den Eintritt des entfernteren Abkömmlings in das gesetzliche Erbrecht infolge einer letztwilligen Ausschließung des näheren Abkömmlings (vgl. RGZ 61, 14, 17 f; 93, 193, 194 f; RG JW 1913, 869, 870; J. Mayer in Bamberger/Roth BGB 2. Aufl., § 2309 Rn 4, 8; MüKo-BGB/Lange 5. Aufl., § 2309 Rn 12; MüKo-BGB/Frank 3. Aufl., § 2309 Rn 6; NK-BGB/Bock 3. Aufl., § 2309 Rn 3 ff; PWW/Deppenkemper BGB 5. Aufl., § 2309 Rn 2; Soergel/Stein BGB 13. Aufl., § 1924 Rn 34, § 1938 Rn 7; Ebbecke LZ 1919, 505 f; Gottwald Pflichtteilsrecht § 2309 Rn 1, 4; Joachim Pflichtteilsrecht 2. Aufl., Rn 56; Lange/Kuchinke Erbrecht 5. Aufl., § 37 IV 2 b; J. Mayer in Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz Handbuch Pflichtteilsrecht 2. Aufl., § 2 Rn 25, 34). Demnach gelangten hier die Parteien, nicht aber ihr Vater zur gesetzlichen Erbfolge, nachdem die Erblasserin diesen im Testament vom 21. Mai 2001 gemäß § 2271 Abs. 2 Satz 2 iVm § 2294 BGB durch den Widerruf seiner bisherigen Erbeinsetzung enterbt hatte. Hierzu war die Erblasserin berechtigt, weil ihr Sohn sich einer Verfehlung schuldig gemacht hatte, die sie nach § 2333 Nr. 3 BGB in der gemäß Art. 229 § 23 Abs. 4 Satz 1 EGBGB noch anzuwendenden, bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung (BGB aF) zur Entziehung des Pflichtteils berechtigte.

Zutreffend ist diese vom Reichsgericht begründete Auffassung. Für vergleichbare Fallkonstellationen der Ausschlagung (§ 1953 Abs. 2 BGB), der Erbunwürdigkeit (§ 2344 Abs. 2 BGB) sowie des beschränkten Erbverzichts (§ 2346 Abs. 1 Satz 2, § 2349 BGB) hat der Gesetzgeber zwar eine Regelung dahin getroffen, dass in diesen Fällen die Erbschaft demjenigen anfällt, der berufen sein würde, wenn der Weggefallene zur Zeit des Erbfalls nicht gelebt hätte. Dass eine solche gesetzliche Bestimmung für die Ausschließung eines Abkömmlings von der Erbfolge durch Verfügung von Todes wegen fehlt, rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, dass es in dieser Konstellation nicht zum Eintreten des Abkömmlings nach § 1924 Abs. 3 BGB kommen kann. Denn die Entstehungsgeschichte der genannten Normen – einschließlich derjenigen des § 1924 BGB – belegt, dass der Gesetzgeber einen Gleichlauf der Folgen der Ausschlagung, der Ausschließung durch Verfügung von Todes wegen und der Erbunwür...

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