Auf einen Blick

Rechtsordnungen können in unterschiedlicher Art und Weise auf das Hinzukommen eines Kindes nach Errichtung eines Testaments reagieren. In Deutschland wird nach § 2079 BGB dem pflichtteilsberechtigten Kind ein Anfechtungsrecht gegeben. Dagegen gewähren sogenannte after-born child statutes der US-Bundesstaaten dem übergangenen Kind ein vom Testament unabhängiges Recht, einen Teil des Nachlasses zu verlangen. In Italien wiederum wird das Testament des Erblassers beim Hinzukommen eines Kindes kraft Gesetzes widerrufen.

Der vorliegende Beitrag hat die zwei letztgenannten Regelungen zunächst dargestellt und anschließend deren Qualifikation im Rahmen der EuErbVO diskutiert. Dabei wurde gezeigt, dass diese Vorschriften sich zwar in ihrer Funktionsweise erheblich voneinander unterscheiden, sie aber trotzdem einheitlich dem allgemeinen Erbstatut unterstellt werden sollen. In Bezug auf die US-amerikanischen after-born child statutes sprechen gute Gründe dafür, sie als Bestimmungen im Sinne des Art. 23 Abs. 2 lit. h) a.E. EuErbVO anzusehen, die Personen, die dem Erblasser nahestehen, Ansprüche gegen den Nachlass beziehungsweise den Erben gewähren. Dagegen scheidet hinsichtlich Art. 687 c.c. eine derartige Qualifikation aus, da diese Vorschrift selbst keine Ansprüche den übergangenen Kindern gewährt. Trotzdem bleiben noch weitere Lösungsmöglichkeiten übrig, um zu erreichen, dass diese Vorschrift der lex successionis unterworfen wird. Man kann zum einen den Begriff des "Pflichtteils" im Sinne des Art. 23 Abs. 2 lit. h) EuErbVO dahingehend verstehen, dass er auch Vorschriften erfasst, deren Anwendung einseitig vom Erblasser beseitigt werden kann, soweit derartige Vorschriften in einem engen sachlichen Zusammenhang mit pflichtteilsrechtlichen Bestimmungen stehen. Zum anderen kann Art. 687 c.c. so verstanden werden, dass er die Testierfreiheit des Erblassers "anderweitig beschränkt" im Sinne des Art. 23 Abs. 2 lit. h) EuErbVO. Schließlich kann Art. 687 c.c. einfach Art. 23 Abs. 1 EuErbVO subsumiert werden.

Autor: von Raphael de Barros Fritz, Wissenschaftlicher Assistent, Hamburg

ZErb 11/2020, S. 393 - 396

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