Mit ihrer Klage macht die Klägerin Pflichtteilsansprüche gegen die Beklagte geltend. Die Parteien streiten in erster Linie darüber, ob ein in § 7 der testamentarischen Verfügung der Erblasserin zugunsten der Beklagten und deren Ehemann, Herrn M. B., im Wege des Vorvermächtnisses eingeräumtes lebenslanges Wohnungsrecht bei der Berechnung des der Klägerin zu- stehenden Pflichtteils (§§ 2303, 2306 BGB) in Abzug zu bringen ist oder nicht.

Hinsichtlich der weitergehenden Darstellung des Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand in dem angefochtenen Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19.12.2019 Bezug genommen.

Durch diese Entscheidung hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 162.929,61 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 125.000,00 EUR seit dem 03.10.2018 und aus 37.929,61 EUR seit dem 24.10.2018 zu zahlen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Beklagten.

Die Beklagte beantragt, die Klage unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Koblenz vom 19.12.2019 abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Senat hat mit Hinweisbeschluss vom 20.5.2020 die Parteien darauf hingewiesen, dass der Berufung allenfalls in Höhe eines Teilbetrages von 4.500 EUR Erfolgsaussichten beizumessen seien und im Falle einer Klagerücknahme in Höhe dieses Teilbetrages ein Vorgehen nach § 522 Abs. 2 ZPO in Betracht komme. Mit Schriftsatz vom 08.06.2020 hat die Klägerin daraufhin die Klage in Höhe des genannten Teilbetrages zurückgenommen. Die teilweise Klagerücknahme ist der Beklagten mit dem Hinweis gemäß § 269 Abs. 2 S. 4 ZPO am 9.6.2020 zugestellt worden, ohne dass diese widersprochen hat.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 19.12.2019, Az. 3 O 400/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.

Zur Begründung wird auf den vorangegangenen Hinweisbeschluss des Senats vom 20.5.2020 Bezug genommen, an welchem der Senat auch nach nochmaliger Beratung der Sache festhält. Die Ausführungen der Beklagten in der Gegenerklärung vom 29.6.2020 geben zu einer Änderung der rechtlichen Beurteilung keinen Anlass.

Auch unter Berücksichtigung dieser weiteren Ausführungen verbleibt der Senat bei seiner Überzeugung, dass das in § 7 der testamentarischen Verfügung der Erblasserin vorrangig zugunsten der Beklagten und deren Ehemann, nachrangig zu Gunsten der Tochter der Beklagten eingeräumte Wohnrecht nicht bei der Berechnung des der Klägerin zustehenden Pflichtteils in Abzug zu bringen ist.

Bei der Ermittlung des Wertes des Nachlasses im Sinne von § 2311 Abs. 1 S. 1 BGB, welcher der Berechnung des Pflichtteils zugrunde gelegt wird, bleiben Vermächtnisse unberücksichtigt (BGH XII ZB 133/12, Beschluss vom 27.8.2014, juris; BGH IV a ZR 97/86, Urteil vom 16.09.1987, juris; Palandt/Weidlich, BGB, 78. Auflage, § 2311 Rn 4; Soergel/Dieckmann, BGB, 13. Auflage, § 2311, Rn 15). Dem zugrunde liegt der Gedanke, dass es dem Erblasser nicht möglich sein soll, den Pflichtteilsanspruch durch freigiebige Vermächtnisanordnungen zu schmälern, wenn nicht sogar auszuhöhlen. Im Ergebnis "schlägt" somit das Pflichtteilsrecht das Vermächtnis.

Soweit die Beklagte in der Gegenerklärung vom 29.6.2020 die Auffassung vertritt, aus dem Beschluss des BGH vom 27.8.2014 (BGH XII ZB 133/12) folge, dass von einer Vorrangigkeit des Pflichtteilsanspruchs gegenüber einem Vermächtnis nur im Falle eines staatlichen Regressanspruchs ausgegangen werden könne, folgt der Senat dem nicht. Zwar lag der Entscheidung tatsächlich ein im Wege des Regresses auf die Staatskasse übergegangener Anspruch zugrunde. Die Gründe des Beschlusses geben aber nichts dafür her, dass der BGH von einer Vorrangigkeit der Pflichtteilsansprüche gegenüber den Vermächtnisansprüchen ausschließlich bei einer solchen Konstellation ausgehen wollte. Gegen einen derart beschränkten Anwendungsbereich spricht bereits, dass sich der BGH unter Randziffer 20 der Entscheidung ausdrücklich von der Besonderheit der dortigen Fallkonstellation (Anspruch der Staatskasse) loslöst und seine früheren, mit dem hier vorliegenden Sachverhalt vergleichbaren Entscheidungen, ausdrücklich bestätigt und zitiert (siehe insoweit den Hinweis auf BGH IV a ZR 97/86, Urteil vom 16.9.1987, juris). Insoweit enthält die Entscheidung vom 27.4.2014 – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch den eindeutigen und uneingeschränkten Ausspruch, dass der Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Anspruch aus einem Vermächtnis vorrangig ist.

Die Beklagte vertritt in der Gegenerklärung vom 29.6.2020 weiter die Auffa...

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