II. 12 Die Revision führt aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). An die Stelle des im Klageverfahren angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids vom 17. September 2015, über den das FG entschieden hat, ist während des Revisionsverfahrens der Bescheid vom 10. Januar 2017 getreten und nach § 121 Satz 1 iVm § 68 Satz 1 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos und aufzuheben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 14. November 2018 – II R 34/15, BFHE 263, 273, Rn 12, mwN).

Einer Zurückverweisung der Sache an das FG nach § 127 FGO bedarf es jedoch nicht, da sich aufgrund des Änderungsbescheids an dem zwischen den Beteiligten streitigen Punkt nichts geändert hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 263, 273, Rn 13). Die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bilden nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des BFH; sie fallen durch die Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils nicht weg, da das finanzgerichtliche Urteil nicht an einem Verfahrensmangel leidet (vgl. BFH-Urteil in BFHE 263, 273, Rn 13, mwN).

III. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist unbegründet und daher abzuweisen. Der angefochtene Erbschaftsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Erwerb des Zweifamilienhauses ist nicht nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 c ErbStG steuerbefreit.

1. Steuerfrei ist nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 c Satz 1 ErbStG u.a. der Erwerb von Todes wegen des Eigentums oder Miteigentums an einem im Inland belegenen bebauten Grundstück iSd § 181 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) in der ab 2009 geltenden Fassung durch Kinder iSd Steuerklasse I Nr. 2, soweit der Erblasser darin bis zum Erbfall eine Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt hat oder bei der er aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken gehindert war, die beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim) und soweit die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Als Erwerb von Todes wegen gilt nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG u. a. der Erwerb durch Erbanfall (§ 1922 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB –) oder durch Vermächtnis (§§ 2147 ff BGB).

2. Nach ihrem Wortlaut erfasst die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 c ErbStG eine auf einem bebauten Grundstück iSd § 181 Abs. 1 Nr. 1 BewG gelegene Wohnung, wenn die Wohnung beim Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt ist (Familienheim).

a) Eine Wohnung ist zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt, wenn der Erwerber die Absicht hat, die Wohnung selbst zu eigenen Wohnzwecken zu nutzen, und diese Absicht auch tatsächlich umsetzt. Die Absicht des Erwerbers zur Selbstnutzung der Wohnung lässt sich als eine innere Tatsache nur anhand äußerer Umstände feststellen. Dies erfordert, dass der Erwerber in die Wohnung einzieht und sie als Familienheim für eigene Wohnzwecke nutzt. Die bloße Widmung zur Selbstnutzung – beispielsweise durch Angabe in der Erbschaftsteuererklärung – reicht nicht aus (BFH-Urteil vom 5. Oktober 2016 – II R 32/15, BFHE 256, 359, BStBl II 2017, 130, Rn 10).

Der Begriff des Familienheims setzt zudem voraus, dass der Erwerber dort den Mittelpunkt seines Lebensinteresses hat (vgl. BFH-Urteil in BFHE 256, 359, BStBl II 2017, 130, Rn 10). Nicht begünstigt sind deshalb Zweit- oder Ferienwohnungen (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juli 2013 – II R 35/11, BFHE 242, 153, BStBl II 2013, 1051, Rn 9). Unschädlich ist es, wenn das Kind, z. B. als Berufspendler, mehrere Wohnsitze hat, solange das Familienheim seinen Lebensmittelpunkt bildet (vgl. BTDrucks 16/11107, S. 8 f).

b) Der Erwerber muss die Wohnung unverzüglich, d. h. ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) zur Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke bestimmen.

aa) Unverzüglich erfolgt eine Handlung nur, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird. Dies bedeutet, dass ein Erwerber zur Erlangung der Steuerbefreiung für ein Familienheim innerhalb einer angemessenen Zeit nach dem Erbfall die Absicht zur Selbstnutzung des Hauses fassen und tatsächlich umsetzen muss (BFH-Urteil vom 23. Juni 2015 – II R 39/13, BFHE 250, 207, BStBl II 2016, 225, Rn 24).

bb) Angemessen ist regelmäßig ein Zeitraum von sechs Monaten nach dem Erbfall. Zieht der Erwerber innerhalb dieses Zeitraums in die Wohnung ein, kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass eine unverzügliche Bestimmung der Wohnung zur Selbstnutzung als Familienheim vorliegt. Den durch § 13 Abs. 1 Nr. 4c Satz 1 ErbStG begünstigten Erwerbern ist eine gewisse Zeit einzuräumen, damit sie prüfen können, ob sie in die Wohnung einziehen. Hat der Erwerber nach der ihm zuzubilligenden Bedenkzeit den Entschluss zum Einzug gefasst, benötigt er weitere Ze...

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