Die Wiedergabe, Plausibilitätskontrolle und Beurkundung von Erläuterungen des Erben durch den Notar reicht allerdings nicht aus, damit der Auskunftspflichtige den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten aus § 2314 Abs. 1 BGB erfüllt. Vielmehr ist der Notar für den Inhalt des Bestandsverzeichnisses verantwortlich und hat – ausgehend von den Angaben des Erben – den Nachlassbestand selbst zu ermitteln. Der Notar darf sich also nicht darauf beschränken, die ihm vom Erben gemachten Angaben lediglich wiederzugeben oder auf ihre Plausibilität zu überprüfen.[13] Das folgt daraus, dass das notarielle Nachlassverzeichnis schon begrifflich eine eigene Bestandsaufnahme des Notars und nicht etwa die bloße Aufnahme von Erklärungen anderer Personen ist, zumal das Verzeichnis gem. § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeurkG über "Wahrnehmungen" des Notars berichtet. Für die Notwendigkeit eigener Ermittlungen des Notars streitet außerdem der Vergleich zu den Vorschriften über das Nachlassinventar. Auch dort wird unterscheiden zwischen dem Inventar, das der Erbe selbst aufnimmt und zu dem er den Notar lediglich hinzuzieht (§ 2002 BGB), und dem, das der Erbe durch eine Amtsperson aufnehmen lässt (§ 2003 Abs. 1 Satz 1 BGB).[14] Zudem hat ein notarielles Verzeichnis für den Pflichtteilsberechtigten die Gewähr höherer Richtigkeit und Vollständigkeit, die sich gerade aus dem Erfordernis eigener Ermittlungen des Notars als neutrale Amtsperson rechtfertigt.[15]

Allerdings ist zu beachten, dass die Nachforschungen dem auskunftspflichtigen Erben bzw. dem hinzugezogenen Notar zumutbar sein müssen;[16] andernfalls wird der Auskunftsanspruch nach dem oben Gesagten eingeschränkt. Dabei führt der Umstand, dass Nachforschungen aufwendig wären, als solcher jedoch noch nicht dazu, dass sie unzumutbar sind.[17] Zur Bestimmung des Umfangs der vom Notar geschuldeten Nachforschungen dient unter Berücksichtigung des Informationsinteresses des Pflichtteilsberechtigten und des Anliegens des Auskunftspflichtigen, unzumutbare Ermittlungen zu vermeiden, als Referenzpunkt erneut die Sicht eines objektiven Dritten in der Lage des Auskunftsgläubigers. Die aus der Warte des Dritten im konkreten Einzelfall naheliegenden Ermittlungen hat auch der Notar anzustellen. Dann wird dem Notar auch nicht – wie gelegentlich angenommen – die Rolle eines Detektives abverlangt, der Rasterfahndungen vornimmt.[18] Infolgedessen entscheidet der Notar zwar unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände nach eigenem Ermessen, welche konkreten Ermittlungen er vornimmt. Das entbindet Gerichte allerdings nicht davon, die Ausübung des ordnungsgemäßen Ermessens anhand des obigen Referenzmaßstabs zu überprüfen. Deshalb stehen etwaige Ermessensfehler des Notars der Annahme eines ordnungsgemäßen notariellen Nachlassverzeichnisses zwingend entgegen.[19] Ermessensfehlerhaft handelt der Notar, der sich mit den Angaben des auskunftspflichtigen Erben begnügt, nur dann nicht, wenn er sich nicht durch andere Erkenntnisquellen persönlich ein Bild vom Bestand des Nachlasses machen kann.[20]

[13] S. nur BVerfG, ZEV 2016, S. 578, 579; BGH, NJW 1961, S. 602, 603 f; OLG Koblenz, ZEV 2007, S. 493; OLG Düsseldorf, RNotZ 2008, S. 105, 106; OLG Saarbrücken, ZEV 2010, S. 416; ZEV 2011, S. 373, 374; OLG Schleswig, ZEV 2011, S. 376, 377; OLG Köln, RNotZ 2013, S. 127, 130; OLG München, ZEV 2016, S. 331, 332; OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.6.2017 – 7 U 97/16 n. v.; Birkenheier, in: jurisPK, § 2314 BGB Rn 66; Kuhn/Trappe, ZEV 2011, S. 347, 350; Ruby/Schindler, ZEV 2014, S. 353, 354; Schreinert, RNotZ 2008, S. 61, 69 f. Einer Ermittlungspflicht skeptisch gegenüberstehend aber Heidenreich, ZErb 2011, S. 71, 73 ff; Zimmer, ZEV 2008, S. 365, 367 ff; ders., ZErb 2012, S. 5, 5 f.
[14] OLGR Celle 2003, S. 370; OLG Koblenz, ZEV 2014, S. 308, 309.
[15] Vgl. hierzu BGH, NJW 1961, S. 602, 603; OLGR Celle 1997, S. 160; OLG Karlsruhe, ZEV 2007, S. 329; OLG Saarbrücken, ZEV 2010, S. 416; OLG Dresden, ErbR 2018, S. 165, 166. Eine andere Erklärung für die Annahme der höheren Richtigkeits- und Vollständigkeitsgewähr ist die Vermutung, der Erbe werde sich bei einer Befragung durch eine Amtsperson eher um Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben bemühen, vgl. OLG Karlsruhe, ZEV 2007, S. 329.
[17] S. OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.6.2017 – 7 U 97/16 n. v.; Lange, in: MüKo, § 2314 BGB Rn 30.
[18] So auch OLG Saarbrücken, ZEV 2011, S. 373, 374; OLG Bamberg, ZEV 2016, S. 580, 581. In dieselbe Richtung OLG Düsseldorf, Urt. v. 9.6.2017 – 7 U 97/16 n. v. Eine Rasterfahndung befürchtend OLG Köln, RNotZ 2013, S. 127, 129.
[19] Vgl. Schmitz, RNotZ 2016, S. 231, 233. AA wohl Hager, DNotZ 2014, S. 783, 785, der von einer lediglich eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit der Ermessensausübung ausgeht.
[20] OLG Karlsruhe, ZEV 2007, S. 329, 329 f; OLG Düsseldorf, RNotZ 2008, S. 105, 106; Blum, in: Schlitt/Müller, § 2 Rn 50.

aa) Unbewegliche und bewegliche Gegenstände als Nachlassaktiva

Mit Blick auf körperliche Nachlassgegenstände ist zu berücksichtigen, dass der Erbe im Rahm...

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