Die im Jahre 1941 geborene Betroffene erlitt Ende November 2011 einen Hirnschlag. Noch im Krankenhaus wurde ihr eine PEG-Sonde gelegt, über die sie seitdem ernährt wird und Medikamente verabreicht bekommt. Im Januar 2012 wurde sie in ein Pflegeheim aufgenommen. Die zu diesem Zeitpunkt noch vorhandene Fähigkeit zur verbalen Kommunikation verlor die Betroffene infolge einer Phase epileptischer Anfälle im Frühjahr 2013.

Aus der Ehe der Betroffenen mit ihrem – im Februar 2013 verstorbenen – Ehemann sind drei volljährige Töchter (die Beteiligten zu 1 bis 3) hervorgegangen. Bereits am 10.2.2003 hatte die Betroffene eine schriftliche "Patientenverfügung" folgenden Inhalts unterzeichnet:

Zitat

"Für den Fall, daß ich (...) aufgrund von Bewußtlosigkeit oder Bewußtseinstrübung (...) nicht mehr in der Lage bin, meinen Willen zu äußern, verfüge ich: "

Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten.

Dagegen wünsche ich, daß lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn medizinisch eindeutig festgestellt ist,

– daß ich mich unabwendbar im unmittelbaren Sterbeprozeß befinde, bei dem jede lebenserhaltende Therapie das Sterben oder Leiden ohne Aussicht auf Besserung verlängern würde,

oder

– daß keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewußtseins besteht, oder

– daß aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleibt,

oder

– daß es zu einem nicht behandelbaren, dauernden Ausfall lebenswichtiger Funktionen meines Körpers kommt.

Behandlung und Pflege sollen in diesen Fällen auf die Linderung von Schmerzen, Unruhe und Angst gerichtet sein, selbst wenn durch die notwendige Schmerzbehandlung eine Lebensverkürzung nicht auszuschließen ist. Ich möchte in Würde und Frieden sterben können, nach Möglichkeit in meiner vertrauten Umgebung. Aktive Sterbehilfe lehne ich ab. Ich bitte um menschliche und seelsorgerische Begleitung.“

In derselben Urkunde erteilte sie für den Fall, dass sie außerstande sein sollte, ihren Willen zu bilden oder zu äußern, der Beteiligten zu 2 (im Folgenden: Bevollmächtigte) als ihrer Vertrauensperson die Vollmacht,

Zitat

"an meiner Stelle mit der behandelnden Ärztin (...) alle erforderlichen Entscheidungen abzusprechen. Die Vertrauensperson soll meinen Willen im Sinne dieser Patientenverfügung einbringen und in meinem Namen Einwendungen vortragen, die die Ärztin (...) berücksichtigen soll."

Patientenverfügung und Vollmacht erneuerte die Betroffene am 18.11.2011 wortlautidentisch.

Darüber hinaus erteilten die Betroffene und ihr Ehemann sich mit notarieller Urkunde vom 26.2.2003 gegenseitige Generalvollmacht und setzten als Ersatzbevollmächtigte an erster Stelle die Bevollmächtigte und an zweiter Stelle die Beteiligte zu 1 ein. In der Vollmachtsurkunde heißt es unter anderem:

"Die Vollmacht berechtigt auch zur Vertretung in Fragen der medizinischen Versorgung und Behandlung, insbesondere im Sinne von § 1904 BGB. Der Bevollmächtigte kann auch in eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, in eine Heilbehandlung oder in die Durchführung eines ärztlichen Eingriffs einwilligen, die Einwilligung hierzu verweigern oder zurücknehmen, Krankenunterlagen einsehen und in deren Herausgabe an Dritte einwilligen. (...) "

Die Vollmacht enthält die Befugnis, über den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen zu entscheiden. Wir wurden darüber belehrt, dass solche Entscheidungen unter bestimmten engen Voraussetzungen in Betracht kommen. Im Falle einer zum Tode führenden Erkrankung legen wir keinen Wert auf lebensverlängernde Maßnahmen, wenn feststeht, dass eine Besserung des Zustandes nicht erwartet werden kann. Die Vollmachtgeber wünschen eine angemessene und insbesondere schmerzlindernde Behandlung, nicht jedoch die künstliche Lebensverlängerung durch Gerätschaften. Die Schmerzlinderung hat nach Vorstellung der Vollmachtgeber Vorrang vor denkbarer Lebensverkürzung, welche bei der Gabe wirksamer Medikamente nicht ausgeschlossen werden kann.“

Die Bevollmächtigte und die die Betroffene behandelnde Hausärztin sind übereinstimmend der Auffassung, dass der Abbruch der künstlichen Ernährung nicht dem in der Patientenverfügung geäußerten Willen der Betroffenen entspricht. Demgegenüber vertreten die beiden anderen Töchter, die Beteiligten zu 1 und zu 3, die gegenteilige Meinung.

Die Beteiligte zu 1 hat daher im März 2015 beim Betreuungsgericht die Anträge "auf Umsetzung der Patientenverfügung und auf Befolgung des Patientenwillens" sowie "auf Entzug des Betreuungsrechts" der Bevollmächtigten gestellt; die Beteiligte zu 3 hat sich dem angeschlossen. Das Amtsgericht hat dies als Antrag auf Anordnung einer Kontrollbetreuung ausgelegt und diesen zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und die Beteiligte zu 1 "zur Betreuerin mit dem Aufgabenkreis des Widerrufs der von der Betroffenen (...) erteilten Vollmachten, allerdin...

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