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Der Beitrag befasst sich erneut mit der Frage, in welchen Fällen das Ertragswertverfahren oder das Sachwertverfahren bei der Bewertung von Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken anwendbar ist.

1. Vorbemerkung

Gohlisch[1] hat für die Bewertung von Geschäftsgrundstücken und gemischt genutzten Grundstücken die Praxis der Finanzverwaltung vorgestellt und verteidigt, wonach das Sachwertverfahren als Auffanglösung anzuwenden ist, wenn sich für diese Grundstücke auf dem ortsüblichen Grundstücksmarkt keine übliche Miete ermitteln lässt. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, dass das Sachwertverfahren zur Regel wird, wenn geeignete Daten in Mietspiegeln oder Mietdatenbanken nicht vorhanden sind und der Steuerpflichtige auch kein Mietgutachten beibringt. Das überzeugt nicht.

[1] ZErb 2016, 59.

2. Der Gesetzesbestand

Nach § 157 Abs. 1 BewG werden für Zwecke der Erbschaftsteuer Grundbesitzwerte festgestellt. Sie sind für die wirtschaftlichen Einheiten des Grundvermögens zu ermitteln (§ 157 Abs. 3 S. 1). Außerdem sind sie für Betriebsgrundstücke zu ermitteln, die zu einem Gewerbebetrieb gehören und andernfalls zum Grundvermögen gehören würden (§ 157 Abs. 3 S. 1 BewG iVm § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Für die Bewertung dieser beiden Gruppen wirtschaftlicher Einheiten gelten die §§ 176 bis 198 BewG.[2]

§ 176 Abs. 1 Nr. 1 BewG bestimmt, dass zum Grundvermögen unter anderem der Grund und Boden gehört, also das, was im Sinne des BGB ein Grundstück ist. Dem schließt sich die Unterscheidung zwischen unbebauten Grundstücken (§ 178 BewG) und bebauten Grundstücken (§ 180 Abs. 1 BewG) an. Bei den bebauten Grundstücken wird in § 181 Abs. 1 BewG für Zwecke der Bewertung zwischen bestimmten Grundstücksarten unterschieden. Dazu gehören nach Nr. 4 Geschäftsgrundstücke und nach Nr. 5 gemischt genutzte Grundstücke; die beiden Begriffe werden in § 181 Abs. 6 und 7 BewG näher erläutert.

Wie sich aus § 182 Abs. 1 BewG ergibt, stehen für die Bewertung der bebauten Grundstücke drei Verfahren zur Verfügung: das Vergleichswertverfahren, das Ertragswertverfahren und das Sachwertverfahren. Welches Verfahren auf welche Grundstücksart anzuwenden ist, wird in § 182 Abs. 2 bis 4 BewG gesagt. Bei der Bewertung der Geschäftsgrundstücke und der gemischt genutzten Grundstücke kommen zwei Verfahren in Betracht, nämlich das Ertragswertverfahren oder das Sachwertverfahren. Lässt sich eine ortsübliche Miete ermitteln, ist im Ertragswertverfahren zu bewerten (§ 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG), lässt sie sich nicht ermitteln, ist im Sachwertverfahren zu bewerten (§ 182 Abs. 4 Nr. 2 BewG). Die beiden Verfahren stehen somit in einem Entweder-oder-Verhältnis, gelten also alternativ. Das Unterscheidungskriterium ist, ob sich für das Geschäftsgrundstück oder das gemischt genutzte Grundstück auf dem örtlichen Grundstücksmarkt eine übliche Miete ermitteln lässt, die in der Folge als ortsübliche Miete bezeichnet wird.

[2] Der in § 157 Abs. 3 S. 1 BewG ebenfalls erwähnte § 159 BewG ist unmittelbar keine Bewertungsvorschrift, sondern dient der Abgrenzung der land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen vom Grundvermögen, für die jeweils eigene Bewertungsverfahren gelten.

3. Ermitteln und Schätzen

Nach den allgemeinen Regeln des Abgabenrechts hat das Finanzamt den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (§ 88 Abs. 1 S. 1 AO),[3] also auch, ob es eine ortsübliche Miete gibt. Art und Umfang der Ermittlungen richten sich nach den Umständen des Einzelfalls und stehen in seinem pflichtgemäßen Ermessen (§ 88 Abs. 1 S. 2 und 3 AO). Kann der Sachverhalt oder eine relevante Tatsache, hier die ortsübliche Miete, nicht ermittelt werden, muss nach § 162 AO geschätzt werden.[4] Erst wenn auch eine Schätzung nicht möglich ist, kommen Beweislastregeln zur Anwendung.[5] Deshalb kann keine Rede davon sein, dass der Steuerpflichtige die Beweislast für die Anwendung des Ertragswertverfahrens hat. Wenn eine Beweislastentscheidung erforderlich wird, geht sie wie sonst auch dahin, dass das Finanzamt die objektive Beweislast für die Rechtmäßigkeit seines Feststellungsbescheids trägt und damit auch für die Rechtmäßigkeit des von ihm angewendeten Bewertungsverfahrens. Deshalb kann sich das Finanzamt entgegen Gohlisch nicht einfach auf das Sachwertverfahren zurückziehen, wenn es schwierig ist, die ortsübliche Miete zu ermitteln und es dem Steuerpflichtigen überlassen, sie auf seine Kosten durch ein Mietgutachten nachzuweisen, wenn er mit dem Prozedere nicht einverstanden ist. Eine Analogie zu § 198 BewG ist also nicht angezeigt.

[3] § 88 AO gilt in jedem Besteuerungsverfahren (Klein/Rätke, AO, 13. Aufl., § 88 AO Rn 6).
[4] Ermitteln und Schätzen beruhen beide auf Wahrscheinlichkeitsüberlegungen. Ermitteln verlangt Gewissheit des Ergebnisses, also an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Beim Schätzen genügt geringere Wahrscheinlichkeit, deren Grad von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Außerdem muss es für eine Schätzung einen Schätzungsanlass geben; vgl. zum Ganzen Klein/Ratschow, AO, 13. Aufl., § 162 AO Rn 1 ff.

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