Die Unterscheidung zwischen Ermitteln und Schätzen findet sich im Wortlaut des § 182 BewG allerdings nicht. Dort wird für die Anwendbarkeit der beiden Bewertungsverfahren allein auf das Ermitteln abgestellt. Schätzen genügt also nicht. Aber dessen ungeachtet soll dem Schätzen im Ertragswertverfahren eine Bedeutung zukommen.
Damit man in das Ertragswertverfahren gelangt, muss sich eine ortsübliche Miete ermitteln lassen. Ist das möglich, gibt es nichts mehr zu schätzen. Hat man diese Miete gefunden, geschieht allerdings in der Folge nicht, was man zu erwarten geneigt ist, dass nämlich diese Miete der Bewertung zugrunde gelegt wird. Stattdessen wird sie ignoriert und durch die vereinbarte Miete ersetzt, die für zwölf Monate zu zahlen ist (§ 186 Abs. 1 S. 1 BewG). Die übliche Miete ist jedoch maßgebend, wenn es eine vereinbarte Miete nicht gibt, weil das Grundstück eigengenutzt ist, oder ungenutzt oder unentgeltlich überlassen ist; dem gleichgestellt ist der Fall, dass es eine vereinbarte Miete durchaus gibt, das Grundstück aber nur zu vorübergehendem Gebrauch überlassen wurde (§ 186 Abs. 2 Nr. 1 BewG), also für weniger als zwölf Monate. Außerdem ist die ortsübliche Miete maßgebend, wenn die tatsächliche Miete – also eine dritte Kategorie neben der üblichen Miete und der vereinbarten Miete – um mehr als 20 % von der üblichen Miete abweicht (§ 186 Abs. 2 Nr. 2 BewG). In diesen beiden Fällen kommt es auf die Miete an, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird. Sie muss aber entgegen § 182 Abs. 3 Nr. 2 BewG nicht ermittelt werden. Denn nach § 186 Abs. 2 S. 2 BewG ist sie zu schätzen. Aber das ist überflüssig, weil sich eine ortsübliche Miete hat ermitteln lassen, denn sonst befände man sich nicht im Ertragswertverfahren. So gesehen, hat § 186 Abs. 2 BewG keinen Anwendungsbereich. Und lässt sich eine ortsübliche Miete nicht ermitteln, scheidet das Ertragswertverfahren aus. Dann ist nach § 182 Abs. 4 Nr. 2 BewG zwangsläufig das Sachwertverfahren maßgebend. Dann werden, altmodisch gedacht und überspitzt formuliert, Backsteine gezählt und ihre Werte aufsummiert. Hier ist jede Miete, ob üblich, vereinbart oder tatsächlich gezahlt, bedeutungslos. Mieten schätzen muss man dann auch nicht.
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