Das in einem Berufungsverfahren ergangene Urteil der Präsidialkammer des Landgerichts beruft sich in seiner Entscheidung über die Frage, inwiefern Grabpflegekosten bei der Berechnung des Anspruchs eines Pflichtteilberechtigten als Nachlassverbindlichkeiten zu berücksichtigen sind, auf ein "obiter dictum" in einer Entscheidung des OLG Schleswig (ZEV 2010,196).

Das zu Geld verwertete Nachlassvermögen sollte aufgrund eines undatierten Testaments nach Quoten an die Erbengemeinschaft bestehend aus acht Miterben zu 55 % verteilt werden, wobei der Sohn als einziger Pflichtteilsberechtigter lediglich 5 % (nicht 15 %) erhalten sollte. Der Rest sollte für die Beerdigung und eine zwanzigjährige Grabpflege zur Verfügung stehen. Diese Anordnung wertet das Gericht als testamentarisch verfügte Auflage, die der Sohn sich im Rahmen der Geltendmachung seines Anspruchs auf seinen Zusatzpflichtteil nach § 2305 BGB anrechnen lassen muss. Denn nur so könne dem Erblasserwillen zur Geltung verholfen werden, wenn die Kosten der Grabpflege vom Nachlass als Verbindlichkeit in Abzug gebracht werden.

Obwohl dem Gericht, das seine Rechtsauffassung vorab in einem Beschluss verkündete, dargelegt wurde, dass diese nicht nur diametral im Widerspruch zu einer Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 12.2.2016 (Zerb 4/2018, S. 105) steht, sondern auch zu der wesentlichen Kommentarliteratur (MüKO/Lange, BGB, 6.Aufl. Anm. 20; Beck OK, § 2311 BGB Anm 13; Burand/Rojahn, Erbrecht 2019 § 2311 Anm. 35), und das Urteil des OLG Schleswig-Holstein, das auch das OLG Düsseldorf zitiert, im Kontext mit dem Pflichtteilsrecht falsch ist (ZEV 2010, 546), hat es sich in dem Urteil nicht einmal im Ansatz mit der Frage auseinandergesetzt, dass seine Entscheidung gegen das gesetzliche Grundprinzip des deutschen Pflichtteilsrechts verstößt. Danach gehen Pflichtteilsrechte grundsätzlich dem Erblasserwillen vor und können nicht durch Verfügungen von Todes wegen beeinträchtigt werden. Bei der Berechnung des Zusatzpflichtteils sind daher nach der Vorschrift des § 2305 BGB die testamentarisch verfügten Auflagen zur Grabpflege nicht zu berücksichtigen.

In der auf Antrag zugelassenen Revision, die eingelegt wurde, wird die dritte Instanz Gelegenheit haben, sich mit dieser reinen Rechtsfrage, der nicht einmal unterschiedliche OLG – Entscheidungen zugrunde liegen, auseinander zu setzen.

von Horst Schuhmacher, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Erb- und Steuerrecht u. Steuerberater, Heidelberg

ZErb 10/2020, S. 369 - 373

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