Angesichts der substantiellen Folgen der Wegzugsbesteuerung sieht das Gesetz Regeln zur Stundung und zum Erlass der Steuer vor. Die Wegzugssteuer kann auf Antrag für einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren gegen Leistung von Sicherheit und Zinsen gestundet werden, wenn ihre sofortige Erhebung mit erheblichen Härten für den Steuerpflichtigen verbunden wäre (§ 6 Abs. 4 S. 1 AStG). Ist der Steuerpflichtige Staatsangehöriger eines EG-/EWR-Mitgliedstaates[26] und unterliegt er nach dem Wegzug in einem EU-/EWR-Staat einer der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuer, ist die Wegzugssteuer dauerhaft, zinslos und ohne Sicherheit zu stunden (§ 6 Abs. 5 S. 1 AStG). Diese Regel sollte auch bei Vererbung oder Schenkung "über die Grenze" anwendbar sein, wenn der Anteilserwerber doppelten EU-/EWR-Bezug hat. Jede Stundung ist bei Anteilsverkauf oder Verwirklichung eines vergleichbaren Vorgangs zu widerrufen, ferner dann, wenn die Anteile auf eine im Drittstaat ansässige Person übergehen oder der Anteilserwerber selbst in einen Drittstaat wegzieht (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 bis 4 AStG). Jeder Eintritt eines Widerrufsgrundes ist dem Finanzamt binnen Monatsfrist anzuzeigen (§ 6 Abs. 7 S. 1 u. 2 AStG). Ferner muss der Steuerpflichtige dem Finanzamt jährlich seine aktuelle Anschrift mitteilen und versichern, dass die Anteile ihm – bei Weiterschenkung seinem Rechtsnachfolger – unverändert zuzurechnen sind (§ 6 Abs. 7 S. 4 AStG). Bei Verletzung dieser Pflichten droht der Widerruf der Stundung (§ 6 Abs. 7 Satz 5 AStG).

Kehrt ein weggezogener Steuerpflichtiger binnen fünf Jahren nach Deutschland zurück und hat er seine Beteiligung nicht zwischenzeitlich veräußert, entfällt die Wegzugsteuer rückwirkend (§ 6 Abs. 3 S. 1 AStG). Dabei ist umstritten, ob der Steuerpflichtige schon bei Wegzug die Absicht zur Rückkehr nach Deutschland gehabt haben muss.[27] Die Frist kann einmalig auf bis zu zehn Jahre verlängert werden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass seine Abwesenheit beruflich motiviert ist und seine Absicht zur Rückkehr fortbesteht (§ 6 Abs. 3 S. 2 AStG). Bei Rückkehr aus einem EU-/EWR-Staat entfällt die Wegzugssteuer rückwirkend ohne zeitliche Grenze (§ 6 Abs. 3 S. 4 AStG). Wird die Wegzugssteuer durch Erbfall oder Schenkung "über die Grenze" ausgelöst, ist die Anwendbarkeit dieser Erlassregelungen unklar. Zum einen fehlt es an einem "Wegzug" als steuerauslösendem Ereignis, weshalb das von der Finanzverwaltung verlangte Merkmal der Rückkehrabsicht bei dem im Ausland ansässigen Anteilserwerber häufig nicht vorliegt oder nicht glaubhaft belegt werden kann. Zum anderen ist unklar, ob ein tatsächlicher Zuzug des (u. U. noch nie in Deutschland ansässig gewesenen) Anteilserwerbers als "Rückkehr" interpretiert werden kann. Sinn und Zweck des Gesetzes gebieten mE, dass zumindest in solchen Fällen auf das Merkmal einer Rückkehrabsicht einerseits verzichtet wird und andererseits ein nach dem Anteilserwerb erfolgender erstmaliger Zuzug des Anteilserwerbers als "Rückkehr" für § 6 Abs. 3 AStG genügt. Weitere Schwierigkeiten ergeben sich daraus, dass bei unentgeltlichem Anteilserwerb "über die Grenze" die Person des Steuerpflichtigen, gegen den die Wegzugssteuer festgesetzt wird, und die Person des Anteilserwerbers häufig auseinanderfallen. Bei Schenkung "über die Grenze" lässt sich das Verhalten des Erwerbers ggf. noch über schenkungsvertragliche Auflagen und Rückforderungsrechte beherrschen, wobei unklar ist, ob die Ausübung eines Rückforderungsrechts zum rückwirkenden Entfallen der Wegzugssteuer beim Schenker führt. Bei Erbfall "über die Grenze" ergeben sich jedoch schwerwiegende Interessenkollisionen, wenn der Anteilserwerber im Ausland nicht Alleinerbe und damit nicht steuerlicher Rechtsnachfolger (§ 45 AO) des Erblassers ist, gegen den die Wegzugssteuer festgesetzt wird. Der ausländische Anteilserwerber (z. B. Vermächtnisnehmer) hat meist, ohne entsprechende testamentarische Auflagen des Erblassers, weder Interesse die Wegzugssteuer des Erblassers zu übernehmen, noch möchte er nach Deutschland umziehen, damit den Erben die Wegzugssteuer erlassen wird.

[26] Für Staatsangehörige anderer Staaten kann sich auf Grundlage einer Art. 24 OECD-MA entsprechenden DBA-Vorschrift ein Anspruch auf Gleichbehandlung ergeben; vgl. Wassermeyer, in: Debatin/Wassermeyer, DBA, Art. 24 MA, Rn 26.
[27] Grundsätze zur Anwendung des AStG, BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz 6.4.1; aA die Literatur, z. B. Häck, in: Haase, AStG, § 6, Rn 141; Kraft, AStG, § 6, Rn 435 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge