II. (...)

Die Berufung des Beklagten hinsichtlich seiner Verurteilung zur Zahlung von 22.000 EUR hat keinen Erfolg. Der Klägerin steht gemäß § 2147 BGB gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von 4 Raten zu je 5.500 EUR zu. Das Vermächtnis ergibt sich aus § 2 des Erbvertrags des Erblassers mit der Klägerin vom 11.11.1977 (Anlage K 4). Danach erhielt die Klägerin von dem Beklagten als Erben des Erblassers, beginnend mit dem Ableben des Erblassers, eine Leibrente entsprechend dem Gehalt eines Regierungsdirektors der Besoldungsgruppe A 15 in der Dienstaltersstufe elf nach dem Bundesbesoldungsgesetz. Diese Zahlung ist von den Beklagten als Erben jährlich 13-fach zu entrichten. Es kann dahingestellt bleiben, ob entsprechend der Auffassung des Landgerichts in dem Schreiben der Parteien vom 7.2.2013 eine eigenständige, neue Regelung geschaffen worden ist.

Dieses Vermächtnis ist zwar gem. § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unwirksam, wie das Landgericht auf die Widerklage rechtskräftig festgestellt hat; die Klägerin hat die Feststellung nicht mit der Berufung angegriffen.

Der Beklagte kann sich aber auf die Beeinträchtigung seines Erbrechts aus dem nicht rechtzeitig angefochtenen Erbvertrag vom 21.10.1971 und damit auf den Schutz des § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt des Arglisteinwandes (§ 242 BGB) nicht berufen. Die formlose Einwilligung des vertragsmäßig bedachten Erben in eine seine Rechte beeinträchtigende Verfügung von Todes wegen nimmt ihm nicht den Schutz des § 2287 BGB. Sie kann aber ausnahmsweise den Arglisteinwand begründen (BGH, Urt. v. 12.7.1989 – IV a ZR 174/88, BGHZ 108, 252; MüKo-BGB/Musielak, 7. Aufl. 2017, § 2289 Rn 18). So liegt der Fall hier.

Der Formmangel eines Rechtsgeschäfts ist nur ganz ausnahmsweise wegen unzulässiger Rechtsausübung unbeachtlich, weil sonst die Formvorschriften des bürgerlichen Rechts ausgehöhlt würden (BGHZ 132, 119; BGHZ 121, 224, 233). Treuwidrig kann allerdings das Verhalten einer Partei sein, die über längere Zeit aus einem wichtigen Vertrag Vorteile gezogen hat und sich nunmehr ihren Verpflichtungen unter Berufung auf den Formmangel entziehen will. Bei einem Bürgen kommt dies beispielsweise in Betracht, wenn er als Gesellschafter der Hauptschuldnerin aus der Gewährung des Kredits jahrelang mittelbar Vorteile gezogen, durch sein Handeln ein berechtigtes Vertrauen des Gläubigers auf die Wirksamkeit des Vertrags begründet und jener im Hinblick darauf seine Leistungen erbracht hat (BGH, Urt. v. 28.11.1957 – VII ZR 42/57, BGHZ 26, 142, 151 f; BGH, Urt. v. 28.1.1993 – IX ZR 259/91, BGHZ 121, 224, 233 f).

Maßgebend ist die Fallgruppe des widersprüchlichen Verhaltens. Widersprüchliches Verhalten ist missbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn der eine Teil mit seinem Verhalten einen Vertrauenstatbestand schafft und der andere Teil in Hinblick darauf bestimmte Dispositionen getroffen hat, etwa wenn die Vertragspartner eine rechtliche Regelung längere Zeit in einem bestimmten Sinn auslegen und wenn der andere Teil sich auf eine gleichbleibende Handhabung eingerichtet hat. So konnte sich ein Erbe wegen widersprüchlichen Verhaltens auf die Unwirksamkeit eines mit einem gemeinschaftlichen Testament unvereinbaren Erbvertrags nicht berufen, wenn er beim Abschluss des Erbvertrags mitgewirkt und die Bestimmung des Erblassers gebilligt hat (BGH, Urt. v. 28.4.1958 – III ZR 98/56, MDR 1958, 490).

Die Beurteilung erfolgt anhand der besonderen Vorgänge des Einzelfalls, seiner Vorgeschichte und der nachfolgenden Entwicklung. Das gesamte Verhalten des Beklagten über Jahrzehnte zeigt, dass er selber von der Wirksamkeit des Erbvertrages ausging und dass er entsprechend bei der Klägerin einen entsprechenden Vertrauenstatbestand schuf. Beide Parteien erarbeiteten gemeinsam von 1978 bis 2013 über 35 Jahre eine durchgehende Vertrauensbasis, auf die sich die im Jahre 1940 geborene Klägerin zum Zeitpunkt der Zahlungseinstellung im Alter von 74 Jahren verlassen darf. Dieses Vertrauen erschöpft sich nicht in der Zahlung seit dem Tod 1998 bis Ende 2014. Schon 1978 hat der Beklagte mit seinem Einverständnis zum Erbvertrag von 1977 zu erkennen gegeben, dass er mit der Verfügung seines Vaters einverstanden war. Wenn dieses nach der späteren Rechtsprechung des BGH auch keine rechtliche Bindung entfaltete, begründete die Erklärung im Zusammenhang mit der jahrelangen Umsetzung das gerechtfertigte Vertrauen der Klägerin auf den Bestand der Vereinbarung, selbst wenn der Beklagte, wie er behauptet, die Erklärung ungelesen unterschrieben haben sollte. Nachfolgend hat der Beklagte 1998 hinsichtlich der in Spanien belegenen Vermögensgegenstände der Übertragung auf die Klägerin zugestimmt und so erneut deutlich gemacht, dass der Wille des Vaters hinsichtlich der Versorgung seiner neuen Ehefrau umgesetzt wird. In allen Schreiben bis hin zur Zahlungseinstellung ab 2015 hat der Beklagte keinen Zweifel daran gelassen, dass er sich an die...

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