Sofern der behinderte Erbe im Rahmen eines Behindertentestaments mit den üblichen Beschränkungen und Beschwerungen zum Vorerben eingesetzt wird, kann er gem. § 2306 I BGB die Erbschaft ausschlagen und seinen Pflichtteil geltend machen.

Fraglich ist, ob die Ausschlagung der behinderte Erbe selbst oder der Betreuer erklären muss.[2] Die Beantwortung dieser Frage hängt zum einen davon ab, ob der behinderte Erbe geschäftsfähig ist und zum anderen, auf welchen Aufgabenkreis sich eine angeordnete Betreuung erstreckt.

Die Ausschlagung der Erbschaft erfordert unbeschränkte Geschäftsfähigkeit.[3] Ist der behinderte Erbe geschäftsfähig, kann er grundsätzlich die Erbschaft selbst ausschlagen.

Ist der behinderte Erbe nicht geschäftsfähig oder wurde trotz Geschäftsfähigkeit eine Betreuung angeordnet[4], kann die Ausschlagungserklärung nur dann von dem Betreuer abgegeben werden, wenn sich der Aufgabenkreis des Betreuers gerade auf die Ausschlagung der Erbschaft bezieht, da der Betreuer den Betreuten gem. § 1902 BGB nur "in seinem Aufgabenkreis" vertreten kann. Notfalls ist daher der Aufgabenkreis des Betreuers zu erweitern.

Unproblematisch ist die Ausschlagung durch den Betreuer möglich, wenn sich der Aufgabenkreis des Betreuers auf "alle Angelegenheiten" erstreckt, was in der Praxis jedoch nicht immer der Fall ist. Ob für die Ausschlagung einer Erbschaft der allgemeine Aufgabenkreis "Vermögenssorge" ausreicht, ist hingegen umstritten.[5] Im Ergebnis ist dies zu verneinen, da die Ausschlagung der Erbschaft keine rein vermögensrechtliche Angelegenheit ist, sondern hier durchaus auch persönliche Motive eine entscheidende Rolle spielen.[6] Um kein Risiko einzugehen, ist zu empfehlen, gegebenenfalls eine Erweiterung des Aufgabenkreises auf "Entscheidung über die Ausschlagung einer Erbschaft" herbeizuführen.[7] Anderenfalls wäre die Ausschlagung mangels Vertretungsmacht nichtig und würde auch durch eine (für einen solchen Fall ohnehin unzulässige) betreuungsgerichtliche Genehmigung nicht geheilt werden.

Zu beachten ist auch, dass die Ausschlagungserklärung durch den Betreuer stets der Genehmigung des Betreuungsgerichts gem. § 1822 Nr. 2 BGB bedarf.[8] Anderenfalls ist die Ausschlagung unwirksam. Die erteilte Genehmigung des Betreuungsgerichts ist samt dem Nachweis der Bekanntmachung an den Betreuer innerhalb der Frist des § 1944 BGB dem Nachlassgericht vorzulegen.[9]

[2] Nicht zu verwechseln ist dieser Punkt mit der Frage, ob das Ausschlagungsrecht gemäß § 93 Abs. 1 SGB XII auf den Sozialhilfeträger übergeleitet werden kann. Dies ist nach ganz hM nicht möglich, vgl. BGH ZErb 2011, 117 = BGH ZEV 2011, 258 m. Anm. Zimmermann = NotBZ 2011, 168 m. Anm. Krauß sowie Ivo, ZErb 2004, 174 ff (mwN).
[3] Palandt/Weidlich, § 1945 Rn 5; Staudinger/Otte, § 1945 Rn 5.
[4] Bei einer solchen Doppelzuständigkeit (also bei einem Geschäftsfähigen, der unter Betreuung steht) kann somit sowohl der Betreute selbst als auch der Betreuer ausschlagen, vgl. hierzu Zimmermann, Betreuung und Erbrecht, Rn 185.
[5] Zum Meinungsstand Ivo, ZErb 2004, 174 ff.
[6] Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl. 1999, § 1896 BGB Rn 215, S. 155; MüKo-Schwab, § 1896 BGB Rn 113; Palandt/Götz, § 1896 BGB Rn 22. AA Ivo, ZErb 2004, 174 ff; DNotI-Report 2004, 1 ff.
[7] MüKo/Schwab, § 1896 Rn 113; Palandt/Götz, § 1896 Rn 22.
[8] MüKo/Leipold, § 1945 Rn 13.
[9] Zu Fragen einer möglichen Hemmung der Frist wegen Verzögerungen bei der gerichtlichen Genehmigung der Ausschlagung vgl. Staudinger/Otte, § 1944 Rn 25 f und Zimmermann, ZEV 2013, 317.

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