Nun können wir uns der eigentlichen Frage, ob die Testamentsvollstrecker – ggf. auch noch nach Jahren – für den erst dann festzusetzenden Teil der Erbschaftsteuer, die sog. "Nachsteuer", gem. § 32 Abs. 1 S. 2 ErbStG, persönlich haften, zuwenden.

Eine solche Haftung könnte durch den Wortlaut des § 32 Abs. 1 S. 2 ErbStG nahelegt werden, weil es dort generell heißt, dass der Testamentsvollstrecker "für die Bezahlung der Erbschaftsteuer" zu sorgen hat. Auch die Nachsteuer ist Erbschaftsteuer. Und hinzu kommt, dass im Zuge der Veranlagung zur Nachsteuer der ursprüngliche Steuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO (Eintritt eines rückwirkenden Ereignisses) geändert wird.

Die überwiegenden Gründe dürften aber gegen die Annahme einer persönlichen Haftung des Testamentsvollstreckers für die Nachsteuer sprechen:

Zunächst ist die systematische Stellung von § 32 Abs. 1 S. 2 ErbStG zu beachten: Diese Norm steht im Kontext mit § 31 Abs. 5 ErbStG, wonach der Testamentsvollstrecker verpflichtet ist, die Steuererklärung abzugeben. Und gem. § 32 Abs. 1 S. 1 ErbStG ist in diesem Falle der Steuerbescheid (abweichend von § 122 Abs. 1 S. 1 AO) dem Testamentsvollstrecker bekannt zu geben. Dann erst folgt die Haftungsnorm für die Haftung des Testamentsvollstreckers.

Bei den Nachhaftungstatbeständen ist dies anders: Der Testamentsvollstrecker hat keine Verpflichtung, über die Erbschaftsteuererklärung hinaus weitere Steuererklärungen abzugeben. Er muss (lediglich) "die Erbschaftsteuererklärung", also die Erklärung, die sich auf den Erbfall bezieht, abgeben – und damit hat er seine Pflichten erfüllt. Den Testamentsvollstrecker treffen insbesondere keine Meldepflichten gegenüber dem Fiskus: § 13 a Abs. 6 ErbStG verpflichtet ausdrücklich den Erwerber, dem für die Erbschaftsteuer zuständigen Finanzamt innerhalb der dort genannten Frist nach Ablauf der Lohnsummenfrist das Unterschreiten der Lohnsummengrenze anzuzeigen. Kommt es zu einem (rückwirkenden) Wegfall des Verschonungsabschlags bzw. des Abzugsbetrages wegen der Tatbestände des § 13 a Abs. 5 ErbStG (Verkauf), dann ist ebenfalls der Erwerber gem. Abs. 6 S. 2 verpflichtet, dem Finanzamt den entsprechenden Sachverhalt anzuzeigen. Den Testamentsvollstrecker treffen auch insoweit keine Pflichten. Da die Haftung des Testamentsvollstreckers für die Abführung der Erbschaftsteuer in einem Kontext mit seinen Pflichten steht, dürfte hier also keine Haftung begründet werden können.

Die nachträgliche Korrektur der Erbschaftsteuer, also die sog. "Nachsteuer", dürfte auch aus einem anderen Grunde einen eigenständigen steuerlichen Tatbestand darstellen: Von der Systematik des § 13 a ErbStG her wird der Verschonungsabschlag zunächst schlicht gewährt. Er steht zwar unter einem (gesetzlichen) Vorbehalt – er wird aber der erbschaftsteuerlichen Veranlagung nach dem Erbfall zugrunde gelegt. Meincke hat bereits darauf hingewiesen, dass der Verschonungsabschlag in seiner Gewährung nicht von der sog. Lohnsummenstabilität abhänge. Nicht das Erreichen einer Mindestlohnsumme sei Tatbestandsvoraussetzung für den Verschonungsabschlag; dieser wird – es sei wiederholt – einfach gewährt. Stellt sich nach 7 Jahren (Grundmodell) oder nach 10 Jahren (Optionsmodell) allerdings heraus, dass die Mindestlohnsummen nicht erreicht wurden, die Lohnsumme also “instabil‘ geworden ist, dann ist dieser Tatbestand Voraussetzung für eine Kürzung oder gar für einen Wegfall des Verschonungsabschlags.[8]

Auch aus dieser Systematik wird deutlich, dass die Nachsteuer, auch wenn es um die Steuerart Erbschaftsteuer geht, doch einen anderen und eigenständigen Tatbestand mit anderen und eigenständigen Tatbestandsvoraussetzungen darstellt. Noch einmal anders ausgedrückt: Es geht bei der Nachsteuer nicht um die Erbschaftsteuer, die mit dem Erbfall angefallen ist. Es geht vielmehr um die nachträgliche Korrektur der Erbschaftsteuerschuld aufgrund ganz eigenständiger Tatbestandsvoraussetzungen, die im Zeitpunkt des Erbfalls noch nicht gegeben waren und von denen auch ungewiss ist, ob sie jemals gegeben sein werden.

Der Testamentsvollstrecker, dem keine Verwaltungsvollstreckung (Dauervollstreckung) übertragen worden ist, hat keinen Einfluss auf diese weitere Entwicklung. Er hat keine Möglichkeit, die Lohnsummenstabilität zu beeinflussen. Er kann auch nicht Entnahmen oder Gewinnverwendungsbeschlüsse der Gesellschafterversammlungen beeinflussen. Vielleicht hat diesen Einfluss der Testamentsvollstrecker, dem Dauertestamentsvollstreckung mit der ausdrücklichen Unternehmensvollstreckung übertragen worden ist. Der Testamentsvollstrecker hat auch schlechterdings keinen Einfluss auf die Weiternutzung des Familienheims. Der Abwicklungsvollstrecker hat diese Möglichkeiten grundsätzlich jedenfalls nicht.

Schuck entwickelt insoweit als Maßstab für die Haftung des Testamentsvollstreckers dessen "zivilrechtliche Möglichkeiten": Habe der Testamentsvollstrecker zivilrechtlich keinen Einfluss auf steuerauslösende Momente, so könne eine Haftung für Nachsteuern nicht ang...

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