Leitsatz

Auslegung eines Testaments, in dem die Erblasserin über ihre wertlose Wohnungseinrichtung, nicht aber über ihr Geldvermögen zugunsten einer Person verfügt, der sie Kontovollmacht über den Tod hinaus erteilt hatte.

OLG München, Beschluss vom 15. Juli 2010 – 31 Wx 33/10

Sachverhalt

Die am 24.6.2009 im Alter von 83 Jahren verstorbene Erblasserin war ledig und kinderlos.

Die Erblasserin erteilte am 4.2.2009 hinsichtlich ihrer Sparkonten (ob für sämtliche, ist derzeit nicht abschließend geklärt) Kontovollmacht für die Beteiligte zu 1. Des Weiteren traf sie am 28.2.2009 eine Vorsorgevollmacht zugunsten der Beteiligten zu 1 sowie eine Patientenverfügung.

Am 1.3.2009 richtete die Erblasserin ein eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament mit folgendem Inhalt:

Zitat

"(Erblasserin) "

1.3.2009

Testament

(Beteiligte zu 1), …, ist berechtigt, die gesamte Wohnungseinrichtung in Empfang zu nehmen.

(Beteiligte zu 1), bitte erfüllen Sie das Vermächtnis:

Herrn K. A., (…), 500 Euro zu überweisen.

Dies bestätigt:

(Erblasserin)

(Ort), den 01.03.2009

(Unterschrift der Erblasserin )“

Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Wertpapieren in Höhe von ca. 12.000 EUR sowie aus Bar- und Geldvermögen in Höhe von ca. 38.000 EUR.

Am 23.10.2009 beantragte die Beteiligte zu 1 unter Berufung auf das Testament vom 1.3.2009 einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweist. Sie ist der Auffassung, dass die Erblasserin ihr mit diesem Testament eine Alleinerbenstellung zukommen lassen wollte. Dies zeige sich darin, dass die Erblasserin ihr umfängliche Kontovollmachten erteilt habe und sie in ihrem Testament vom 1.3.2009 gebeten habe, das Vermächtnis für Herrn A. zu erfüllen.

Die Beteiligte zu 2 ist demgegenüber der Auffassung, dass das Testament vom 1.3.2009 keine Erbeinsetzung, sondern nur die Anordnung zweier Vermächtnisse beinhalte. Das Testament vom 1.3.2009 enthalte gerade nicht die Formulierung, zu "meinem Erben setzte ich ein …" oder "…vermache ich mein Vermögen…". Zu dem sei es nicht unüblich, eine dritte Person umfassend zu bevollmächtigen, ohne sie zugleich als Erben einzusetzen. Die Bitte in dem Testament vom 1.3.2009, dass die Beteiligte zu 1 das Vermächtnis zugunsten des Herrn A erfüllen solle, ergebe sich aus der über den Tod hinaus erteilten Vollmacht. Daher sei davon auszugehen, dass gesetzliche Erbfolge eingetreten sei.

Mit Beschluss vom 17.1.2010 bewilligte das Nachlassgericht den von der Beteiligten zu 1 beantragten Erbschein und setzte die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses aus. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 2. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass das Testament keine Erbeinsetzung enthalte, sondern lediglich die Anordnung zweier Vermächtnisse. Zu Unrecht habe das Nachlassgericht eine Andeutung der Erbeinsetzung zugunsten der Beteiligten zu 1 in dem Testament bejaht. Zudem sprächen auch keine äußeren Umstände für eine Erbeinsetzung. Die Erblasserin habe gerade keine Verfügung von Todes wegen getroffen, sondern der Beteiligten zu 1 lediglich eine Konto – sowie eine Vorsorgevollmacht ausgestellt. Daraus könne der Schluss gezogen werden, dass die Erblasserin gerade nicht der Beteiligten zu 1 ihr gesamtes Vermögen nach ihrem Ableben vermachen wollte.

Aus den Gründen

Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Beteiligte zu 1 ist nicht Erbin der Erblasserin geworden. Ihre Erbeinsetzung ergibt sich nicht aus dem Testament vom 1.3.2009, sondern es ist gesetzliche Erbfolge eingetreten, sodass ihr Antrag auf Erteilung eines Alleinerbscheins zurückzuweisen ist.

1. Eine ausdrückliche Erbeinsetzung der Beteiligten zu 1 findet sich in dem Testament vom 1.3.2009 nicht. Ihr wurde darin ausdrücklich (lediglich) die Wohnungseinrichtung vermacht. Gemäß § 2087 Abs. 2 BGB ist die Zuwendung nur einzelner Gegenstände im Zweifel nicht als Erbeinsetzung aufzufassen. Die Vorschrift kommt jedoch erst dann zur Anwendung, sofern im Wege der individuellen Auslegung (§§ 133, 2084 BGB) kein anderer Erblasserwillen festgestellt werden kann. Führt diese zu einem eindeutigen Ergebnis, ist für die Anwendung der gesetzlichen Regel kein Raum (BGH FamRZ 1972, 561; BayObLG FamRZ 90, 1399).

a) So ist – entgegen dem Wortlaut des § 2087 Abs. 2 BGB – regelmäßig anzunehmen, dass der Testierende eine Erbeinsetzung bezweckt, wenn er praktisch sein ganzes Vermögen an die bedachten Personen aufgeteilt hat, da nicht angenommen werden kann, dass er gar keinen Erben berufen wollte (BayObLG NJW-RR 1997, 517; 2001, 656/657; BayObLG FamRZ 2005, 1202/1203 mwN). Auch die Zuwendung eines Gegenstands kann Erbeinsetzung sein, wenn entweder der Nachlass dadurch erschöpft wird (BayObLGZ 1966, 408) oder wenn sein objektiver Wert das übrige Vermögen so erheblich übertrifft, dass der Erblasser ihn offensichtlich als wesentlichen Nachlass angesehen hat (BayObLG FamRZ 1995, 836), was z. B. dann der Fall ist, wenn eine Immobilie wie ein Hausgrundstück oder eine Eigentumswohnung des Erblassers einen Hauptnachlassgegenstand bildet (vgl. BayObLG FamRZ 1997, 1177/1178; FamRZ 1999, 59/60; NJW-RR 2000, ...

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