Leitsatz

Das Vorliegen von Umständen, die einen Sicherungsanlass bedeuten, reicht nicht aus für das Ergreifen einer Maßnahme zur Nachlasssicherung. Vielmehr ist in jedem Fall zusätzlich ein Bedürfnis zur Fürsorge erforderlich. Ob ein Fürsorgebedürfnis besteht, entscheidet das Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen. Dabei ist das Interesse des endgültigen Erben an der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses, aber auch der Erblasserwille maßgebend (OLG Köln NJW-RR 1989, 454).

Landgericht Stuttgart, Beschluss vom 17. Juli 2009 – 1 T 61/2009

Sachverhalt

Der Erblasser hat in seinem notariell beurkundeten Testament vom 26.6.1992 (Bl 27 d. NA.) seine Ehefrau M. K. zur alleinigen Vorerbin und als Nacherbin die nach seinem Tod zu gründende Stiftung "E.-K.-Stiftung" eingesetzt, die auch Ersatzerbin sein soll. Die alleinige Vorerbin hat, gesetzlich vertreten durch ihren Betreuer, die Erbschaft ausgeschlagen (Bl 64 d. NA.; Entgegennahme der Ausschlagungserklärung durch das Nachlassgericht in Bl 73 d. NA.). Die für die Erbausschlagung erforderliche vormundschaftsgerichtliche Genehmigung hat der Betreuer dem Nachlassgericht mitgeteilt (Bl 94, 95 d. NA.), sodass die Ausschlagung wirksam geworden und die Ersatzerbfolge der Stiftung eingetreten ist.

Weiter hat der Erblasser in § 6 des genannten Testaments Testamentsvollstreckung angeordnet und zwei Personen zu Testamentsvollstreckern berufen. In dessen § 6 Abs. 3 hat er die Testamentsvollstrecker von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. § 6 Abs. 4 hat folgenden Wortlaut:

Zitat

"Die Testamentsvollstrecker sind auch berechtigt und verpflichtet, etwaige Pflichtteilsansprüche oder Pflichtteilsergänzungsansprüche zu befriedigen und den Nachlass gegenüber solchen Pflichtteilsansprüchen/Pflichtteilsergänzungsansprüchen umfassend zu vertreten."

In zwei späteren notariellen Testamenten vom 29.12.1998 und 5.12.2000 (Bl 29, 31 d. NA.) hat der Erblasser Änderungen bezüglich der Person der Testamentsvollstrecker verfügt. In § 7 des notariellen Testaments vom 22.6.1992 (Bl 27 d. NA. S. 5) hat der Erblasser folgende weitere Anordnung getroffen:

Zitat

"Sollten sich bei meinem Tod oder im Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbfolge Schwierigkeiten ergeben wegen der Rechtsnachfolge der "E.K.-Stiftung" mit dem Sitz in S., so gilt das Land ... als Erbe ersatzweise eingesetzt oder als Nacherbe bestimmt mit der Auflage nach Schaffung dieser Stiftung durch meine Testamentsvollstrecker das gesamte Vermögen an diese Stiftung herauszugeben; der Nachlaß wird bis zu dessen Zeitpunkt voll von den Testamentsvollstreckern verwaltet; die auch das Herausgabevermächtnis vollziehen können."

Die Testamente wurden vom Nachlassgericht am 2.12.2008 eröffnet (Bl 36 d. NA.).

Nach Ablehnung des Testamentsvollstreckeramtes durch den zunächst Berufenen wurden die Verfahrensbeteiligten Ziff. 4 und 5 ersatzweise Testamentsvollstrecker gemäß der testamentarischen Anordnung im Testament vom 5.12.2000 (Bl 31 d.A.). Beide haben das Amt angenommen (Bl 67 d. NA.; Entgegennahme der Annahmeerklärung durch das Nachlassgericht Bl 69 d. NA.).

Mit in vorliegendem Verfahren angegriffenem Beschluss vom 21.4.2009 hat das Nachlassgericht Nachlasspflegschaft angeordnet und den Beteiligten Ziff. 7 zum Nachlasspfleger bestellt. Der Wirkungskreis des Nachlasspflegers besteht danach "in der Wahrnehmung von Rechten und Erfüllung von Pflichten des derzeit unbekannten Erben, insbesondere im Verhältnis zu den Testamentsvollstreckern und zu den Pflichtteilsberechtigten. Innerhalb dieses Aufgabenkreises ist der Nachlasspfleger befugt, alle nach seinem Ermessen notwendigen oder zweckmäßigen Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen, Rechtshandlungen vorzunehmen, Zustellungen entgegenzunehmen, Rechtsmittel einzulegen und auf solche zu verzichten. Im Übrigen obliegt die Verwaltung des Nachlasses den Testamentsvollstreckern."

Das Nachlassgericht begründet die Anordnung der Nachlasspflegschaft damit, dass mit der wirksamen Ausschlagung der zunächst berufenen alleinigen Vorerbin die noch zu gründende Stiftung ersatzweise Alleinerbin geworden sei. Die Anerkennung der Rechtsfähigkeit sei bis zum Eintritt des Ersatzerbfalls noch nicht erfolgt. Zur Wahrnehmung der Rechte und Pflichten des Erben bedürfe es einer Nachlasspflegschaft, insbesondere seien die Testamentsvollstrecker verpflichtet, ein Nachlassverzeichnis gem. § 2215 BGB vorzulegen. Etwaige Pflichtteilsansprüche könnten gem. § 2213 Abs. 1 BGB nicht gegenüber den Testamentsvollstreckern, sondern nur gegenüber dem Erben geltend gemacht werden.

Die Testamentsvollstrecker haben gegen den die Nachlasspflegschaft anordnenden Beschluss des Nachlassgerichts Beschwerde eingelegt mit dem Antrag, die Nachlasspflegschaft aufzuheben (Bl 104 d. NA.). Sie begründen die Beschwerde damit, dass kein Bedürfnis für eine Nachlasspflegschaft bestehe. Es sei auch unklar, welche Rechte und Pflichten des unbekannten Erben der Nachlasspfleger konkret wahrnehmen solle. Nach § 6 Abs. 3 und 4 des Testaments vom 26.6.1992 stünden den Testamentsvollst...

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