Der Entwurf der Gruppe um den Abgeordneten Wolfgang Bosbach legt den Schwerpunkt der Zielsetzung auf den schonenden Ausgleich zwischen den Verfassungsgütern "Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen" und "Schutzpflicht des Staates für das Leben". Nach dem Entwurf soll eine Entscheidung gegen lebensverlängernde Maßnahmen jedenfalls dann respektiert werden, wenn der Sterbeprozess eingeleitet ist und die Grenzen zu aktiver Sterbehilfe und strafbarer Tötung auf Verlangen gewahrt bleiben.

Das Rechtsinstitut der Patientenverfügung soll erstmals gesetzlich im Betreuungsrecht (§§ 1901 b, 1904, 1904 a BGB) normiert werden; die verfahrensrechtlichen Regelungen finden Niederschlag im Gesetz über die Angelegenheiten der Freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG).

Der Entwurf enthält im Wesentlichen folgende Regelungen:

Wünsche des Patienten zu medizinischen Maßnahmen, die in schriftlicher Form in einer Patientenverfügung niedergelegt wurden, gelten auch nach Verlust der Einwilligungsfähigkeit fort und sind vom Betreuer oder Bevollmächtigten des Patienten grundsätzlich umzusetzen.
Die Patientenverfügung unterliegt allerdings einer sog. Reichweitenbeschränkung: Die Inhalte der Patientenverfügung müssen sich im Rahmen des rechtlich Zulässigen bewegen. Eine Patientenverfügung, die gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstößt, ist nichtig. Aktive Sterbehilfe, passive Sterbehilfe ohne das Vorliegen einer infausten Prognose sowie der Ausschluss einer Basisversorgung sind auch auf dem Weg über die Patientenverfügung nicht möglich. Nur im Falle des endgültigen Bewusstseinsverlusts ist passive Sterbehilfe zulässig.
Die in einer Patientenverfügung getroffenen Verfügungen bleiben widerrufbar; niemand kann gegen seinen Willen an einer früheren Verfügung festgehalten werden. Wünsche und Entscheidungen einer Patientenverfügung sind nicht verbindlich, wenn sie erkennbar in Unkenntnis der Möglichkeiten medizinischer Behandlung oder späterer medizinischer Entwicklungen abgegeben wurden und anzunehmen ist, dass der Betroffene bei deren Kenntnis eine andere Entscheidung getroffen hätte.
Der Abbruch einer lebenserhaltenden Behandlung ist grundsätzlich nur bei irreversibel tödlichem Krankheitsverlauf möglich, wenn dies dem in einer Patientenverfügung geäußerten oder dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen entspricht. Wo eine Erkrankung (noch) keinen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen hat, ist beim einwilligungsunfähigen Patienten der Abbruch einer lebenserhaltenden Behandlung nur möglich, wenn der Patient dies in einer Patientenverfügung für diesen Fall angeordnet hat und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit trotz Ausschöpfung aller medizinischen Möglichkeiten das Bewusstsein niemals wiedererlangen wird.
Wenn eine lebenserhaltende Behandlung bei einem nicht einwilligungsfähigen Patienten beendet werden soll, ist nach dem Entwurf in einem beratenden Konsil aus Arzt, Betreuer, Pflegepersonen, den nächsten Angehörigen und vom Betroffenen schriftlich benannten nahe stehenden Personen zu klären, ob dies tatsächlich dem Willen des Betroffenen entspricht und alle Voraussetzungen vorliegen.
Nur wenn nach Beratung im Konsil zwischen Arzt und Betreuer ein Dissens über das Vorliegen aller Voraussetzungen besteht, entscheidet das Vormundschaftsgericht. Das Vormundschaftsgericht entscheidet immer in den Fällen, in denen eine lebenserhaltende Behandlung bei endgültigem Bewusstseinsverlust (stabiles Wachkoma, schwerste Demenz) aufgrund einer Patientenverfügung abgebrochen werden soll.

Alternativen

Ohne gesetzliche Regelung würde die von der Rechtsprechung des BGH geprägte Rechtslage mit den in der Praxis aufgetretenen Rechtsunsicherheiten fortbestehen. Eine gesetzliche Regelung, die Patientenverfügungen ohne Reichweitenbegrenzung für verbindlich erklärte, würde die von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geprägte Rechtslage aufheben und zu einer Verabsolutierung des Selbstbestimmungsgedankens unter Vernachlässigung der staatlichen Schutzpflicht für das Leben führen.

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