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Die Entwicklungen rund um das Thema Legal Tech (kurz für den englischen Terminus "Legal Technology") sorgen seit Jahren für eine gewisse Aufruhr auf dem Markt der Rechtsdienstleistungen. Befürchtungen, Anwälte und Anwältinnen werden zeitnah durch künstliche Intelligenzen ersetzt, sind dabei aber genauso wenig begründet, wie der Wunsch nach gänzlich digitalisierten sowie schnellen oder kostenlosen Angeboten. Doch welchen Einfluss haben neue Technologien, kreative Start-up-Unternehmen und, das womöglich entscheidende, veränderte Verhalten der Mandanten und Mandantinnen auf das Erbrecht?

I. Einführung

Insbesondere in der erbrechtlichen Beratung geht man mit gewisser Sicherheit davon aus, man sei vor einer fundamentalen Änderung der Marktbedingungen gefeit. Ansprüchen im Bereich des Fluggastrechts mag man per Mausklick zur Durchsetzung verhelfen,[2] aber einen Generationen übergreifenden Familienstreit als Folge eines Erbfalls kann eine künstliche Intelligenz nicht lösen. Richtig ist wohl, dass das erbrechtliche Mandat an sich in seiner nur selten von reiner Logik geprägten Komplexität auch in fernerer Zukunft von Anwälten aus Fleisch und Blut betreut werden wird. Schließlich zeichnet sich jeder Erbfall dadurch aus, dass er keinem anderen vollkommen gleicht. Beachtenswert sind aber genauso die Innovationen der letzten Jahre durch Legal Tech, die zunehmend auch die Gerichte beschäftigen.[3] Es zeigt sich: In der erbrechtlichen Beratung wird man sich immer wieder neu erfinden müssen.[4] Dieser Beitrag soll den status quo von Legal Tech in der erbrechtlichen Beratung im Überblick aufzeigen, und, unter der Berücksichtigung noch zu erwartender Entwicklungen sowie der aktuellen Rechtsprechung eine Prognose zum "quo vadis, Legal-Tech?" wagen.

[2] Siehe dazu etwa das Angebot von https://www.rightnow.de/.
[3] Siehe hierzu das aktuelle Verfahren vor dem BGH zur Frage der Zulässigkeit von Rechtsdokumente-Generatoren wie von smartlaw.de; lesenswert hierzu https://rsw.beck.de/aktuell/daily/meldung/detail/bgh-prueft-zulaessigkeit-von-rechtsdokumente-generatoren-wie-smartlaw.
[4] Vgl. dazu die Zusammenfassung der DAV-Zukunftsstudie zum Rechtsdienstleistungsmarkt 2030, S. 23.

II. Legal Tech im Überblick

Der in der anwaltlichen Beratung herrschende Zeitgeist hat sich im "Digitalen Zeitalter" verändert. Anfangs waren es Diktiergeräte, die das gesprochene Wort mittels Spracherkennung in Schriftdokumente umwandeln oder umfangreiche Softwarelösungen für die kanzleiinterne Kommunikation, neuerdings ist eine Automatisierung ganzer Arbeitszweige denkbar – die Digitalisierung prägt den Alltag in der Rechtsberatung wie auch die sonstigen Branchen der Wirtschaft im 21. Jahrhundert.

Das lässt sich nicht zuletzt an wirtschaftlichen Parametern feststellen: Die Legal Tech Branche insgesamt wächst seit einigen Jahren ungemein. Die Anzahl der Start-Ups wie Smartlaw, RightNow, Flightright, Advocado, YourExpert, die sich auf dem Markt der Rechtsdiensleistungen tummeln, ist mittlerweile unübersichtlich, da immer wieder neue Unternehmen auf den Markt drängen, ob erfolgreich oder nicht. Daneben bemühen sich kleinere wie größere Kanzleien um ihre eigenen Legal-Tech-Produkte, um sich im Wettbewerb zu behaupten.[5]

Grund für das Wachstum ist wohl ein Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren. Einerseits tauchen regelmäßig neue rechtliche Fragen auf, beispielsweise durch Social Media oder Kryptowährungen, die in der anwaltlichen Praxis noch weitgehend unbekannt sind/waren.[6] Dadurch verändert und verjüngt sich die potenzielle Mandantschaft inklusive der Ansprüche und ihrer finanziellen Möglichkeiten. Abseits des Erbrechts, aber nicht nur, eröffnen sich so Räume, die selbst das Portfolio größter, international agierender Wirtschaftskanzleien nicht abdeckt. Andererseits ist die technische Entwicklung rasant. Auf Algorithmen basierende künstliche Intelligenzen sind in der Lage, immer komplexere Rechtsfragen ohne menschliches Zutun selbst zu lösen. Portale, die Rechtsdokumente (darunter zum Beispiel auch Testamentsvorlagen) immer ausgefeilter generieren können, bieten oft unentgeltliche, schnelle und größtenteils rechtssichere Möglichkeiten, sich den Gang zum Anwalt zu ersparen. Der stellenweise aufkommende Frust über diese Entwicklungen ist in Teilen verständlich.[7] Man kann es dem, im Sinne des homo oeconomicus handelnden, potenziellen Mandanten, allerdings nicht zum Vorwurf machen, zu dem zugänglicheren Produkt auf dem Markt zu greifen.

Dieses Phänomen bietet Platz für die meist junge, kreative und durchaus mutige Legal-Tech-Szene, ihre Ideen zu entwickeln. Die daraus resultierende Unverfrorenheit, mit der sich die Szene am Markt ausbreitet, fordert die in weiten Teilen konservative Anwaltschaft heraus. In der Folge fallen die Reaktionen unterschiedlich aus und schwanken zwischen resoluter Ablehnung, verhaltenem Interesse und ernstgemeinter Euphorie. Dieses Spannungsverhältnis ist wichtig – es darf nur nicht dazu führen, dass sich das Moderne und das Traditionelle (noch) weiter voneinander distanziert...

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