I.

Der Beteiligte zu 1 ist der Sohn der Erblasserin und ihres vorverstorbenen Ehemannes. Er hat am 7.2.2019 einen Erbschein als Alleinerbe der Erblasserin beantragt.

Die Eltern des Beteiligten zu 1 hatten am 12.8.1997 einen notariellen Erbvertrag geschlossen und sich darin gegenseitig als alleinige und unbeschränkte Erben eingesetzt (Ziff. 2). Zu’Erben des Letztversterbenden haben sie den Beteiligten zu’1 und die "ersteheliche" Tochter der Erblasserin "mit Beteiligung zu je ein Halb" eingesetzt (Ziff. 3). Im Anschluss an diese Verfügungen haben sie bestimmt, dass die Bestimmungen des Erbvertrages für sie bindend sein sollten und dass keiner von ihnen sich das Recht zum Rücktritt vorbehalten wolle. Über die durch den Erbvertrag eintretende Bindung seien sie belehrt (Ziff. 4).

Mit notarieller Urkunde vom gleichen Tage verzichtete der Beteiligte zu 1 auf sein Pflichtteilsrecht am Nachlass des Erstversterbenden seiner Eltern, die Tochter der Erblasserin auf ihr Pflichtteilsrecht an deren Nachlass.

Mit notarieller Urkunde vom 22.3.2007 vereinbarte die Erblasserin mit ihren beiden Kindern einen Verzicht auf die Pflichtteilsrechte an ihrem Nachlass und errichtete ein weiteres notarielles Testament. Dieses änderte und ergänzte sie mit notarieller Urkunde vom 16.4.2012.

Schließlich errichtete die Erblasserin ein privatschriftliches Testament vom 6.2.2017, in dem sie den Beteiligten zu 1 zu ihrem unbeschränkten und alleinigen Erben einsetzte.

Die "ersteheliche" Tochter der Erblasserin starb am 4.11.2018. Gesetzliche Erbin ist ihre Tochter, die Beteiligte zu 2, Enkelin der Erblasserin.

Der Beteiligte zu 1 hat gemeint, das Testament vom 6.2.2017 sei wirksam, eine Bindung des Erbvertrages liege nicht vor. Da die Mutter der Beteiligten zu 2 ein Kind nur der Erblasserin gewesen sei, habe der Erbvertrag nur sicherstellen sollen, dass bei Vorversterben der Erblasserin eine Bindungswirkung hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung für den überlebenden Ehegatten (den vorverstorbenen Ehemann) eintrete. Umgekehrt sei dies nicht gewünscht gewesen, weil von einer Bindung nur ausgegangen werden könne, wenn es sich um gemeinschaftliche Abkömmlinge der Ehegatten handele. Daher sei nur die gegenseitige Erbeinsetzung wechselbezüglich.

Durch den Verzicht vom 22.3.2007 hätten die Kinder der Erblasserin dokumentiert, dass sie mit den Änderungen der Erblasserin im Testament vom 22.3.2007 einverstanden gewesen seien. Daher habe die Erblasserin – selbstverständlich – auch nach 2007 noch weitere letztwillige Verfügungen verfassen können. Die Erblasserin sei berechtigt gewesen, die Erbeinsetzung zugunsten ihrer Tochter zu beschweren oder zu beeinträchtigen, weil nur sie selber ein Interesse an einer wechselbezüglichen Einsetzung ihrer Tochter gehabt habe.

Die Beteiligte zu 2 hat gemeint, infolge der ausdrücklich vereinbarten Bindungswirkung in Ziffer 4 des Erbvertrages seien alle späteren letztwilligen Verfügungen unwirksam. Die Eheleute hätten sich wechselseitig zu Erben, gleichzeitig aber auch die Schlusserben bestimmt. Beide Einsetzungen seien wechselbezüglich, im Übrigen auch ausdrücklich als bindend vereinbart.

Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 6.5.2019 die Tatsachen, die zur Begründung des Erbscheinsantrages des Beteiligten zu 1 erforderlich sind, für nicht festgestellt erachtet. Der’Erbvertrag von 1997 sei maßgebend für die Erbfolge. Die späteren letztwilligen Verfügungen seien unwirksam. Auch der vorverstorbene Ehemann der Erblasserin habe deren Tochter nur zu seiner (Schluss)Erbin bestimmt, weil die Erblasserin ihrerseits den Beteiligten zu 1 als Sohn des Ehemannes zum Schlusserben eingesetzt habe. Beide Ehegatten hätten gleichermaßen Interesse daran gehabt, den Sohn des Mannes und die Tochter der Frau zu Schlusserben einzusetzen. Zudem sei Bindungswirkung ausdrücklich vereinbart worden.

Der Beteiligte zu 1 hat sich gegen diesen Beschluss am 5.6.2019 beschwert. Er sei nicht nur Sohn des Ehemannes sondern gemeinsames Kind der Eheleute. Sein Vater habe kein Interesse gehabt, dass seine Stieftochter später Erbin werde. Im Übrigen sehe der Erbvertrag keine Ersatzerbfolge vor.

Die Beteiligte zu 2 bittet um Zurückweisung der Beschwerde. Die Eheleute hätten ausdrücklich die Bindung des Erbvertrages vereinbart. Dem Ehemann sei es wichtig gewesen, dass die nicht von ihm stammende Tochter Schlusserbin der Erblasserin werden würde. Gerade weil das Vermögen des Ehemannes auf die Erblasserin übergegangen war, sei es besonders wichtig gewesen, auch die Tochter der Erblasserin abzusichern. Die Beteiligte zu 2 sei im Wege der gesetzlichen Erbfolge an die erbrechtliche Stelle ihrer Mutter nach dem Tode der Erblasserin getreten.

Mit Beschluss vom 4.7.2019 hat das Nachlassgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Entscheidend sei, dass die Eheleute in Ziffer 4 des Erbvertrages vereinbart hätten, dass die Bestimmungen des Erbvertrages für sie binden sein sollten und keiner von beiden sich ein Recht ...

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