Die Erblasserin ist Mitte Mai 2011 im Alter von 65 Jahren verstorben; sie litt an der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung. Vom 5.8.2010 bis zum 1.9.2010 wurde sie stationär behandelt, ab 1.9.2010 lebte sie im Pflegeheim. Ihr Ehemann ist Anfang September 2010 vorverstorben. Der Beteiligte zu 1 ist ihr einziger Sohn. Der Beteiligte zu 2 ist eine gemeinnützige Organisation.

Es liegen mehrere letztwillige Verfügungen vor. Mit gemeinschaftlichem Testament vom 1.5.1995 setzten sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben, den Sohn zum Schlusserben ein. Mit Erbvertrag vom 20.10.2006 hoben sie das Testament auf und setzten sich gegenseitig sowie den Sohn als Miterben zu je 1/2 ein, wobei der Sohn Vorerbe, der Überlebende Nacherbe sein sollte und dem Überlebenden ein Nießbrauchsrecht vorbehalten wurde. Mit gemeinschaftlichem Testament vom 25.7.2008, das von der Erblasserin handschriftlich geschrieben und unterschrieben, vom Ehemann unterschrieben wurde, hoben die Ehegatten den Erbvertrag auf, setzten sich gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten als alleinigen Schlusserben den Beteiligten zu 2. Ferner erklärten sie, dass sämtliche im Testament niedergelegten Verfügungen – soweit zulässig – wechselbezüglich seien, nach dem Tod eines Teils aber der überlebende Teil berechtigt sei, einseitig das Testament beliebig zu ändern.

Mit notarieller Urkunde vom 20.8.2010 erklärte die Erblasserin für sich im eigenen Namen und aufgrund der General-und Vorsorgevollmacht auch im Namen ihres Ehemannes den Widerruf der gemeinsamen privatschriftlichen Testamente vom 1.5.1995 und vom 28.7.2008 und nahm als Vertreterin ihres möglicherweise nicht mehr geschäfts- und testierfähigen Ehemannes die Widerrufserklärungen entgegen. Ferner setzte sie ihren Sohn zum Alleinerben ein, unter der Voraussetzung, dass keine Bindung mehr aus dem notariellen Erbvertrag bestehe. Mit notariellem Testament vom 14.9.2010 setzte sie erneut ihren Sohn zum Alleinerben ein, um Zweifel an der Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung vom 20.8.2010 auszuschließen. Der beurkundende Notar versah das Testament vom 14.9.2010 mit der "Feststellung: Trotz der zittrigen Unterschrift von Frau F. bestehen an ihrer Testierfähigkeit keine Zweifel."

Der Beteiligte zu 1 stellte am 31.5.2011 den Antrag, ihm einen Erbschein als Alleinerben aufgrund der letztwilligen Verfügung vom 14.9.2010 zu erteilen. Die Erblasserin sei geschäftsfähig gewesen; sie habe am 23.8.2010 in einem (ihm nicht vorliegenden) Demenztest 28 von 30 möglichen Punkten erreicht. Das bestätige die Einschätzung des Notars. Auch der Masseur habe bei den Behandlungen am 16. und 24.9.2010 eine normale Konversation mit der Erblasserin führen können und erst ab Mitte Oktober 2010 eine rapide Verschlechterung festgestellt.

Das Nachlassgericht holte schriftliche Stellungnahmen des Notars, der behandelnden Ärzte und des Pflegeheims ein, zog die Patientenakte des Klinikums bei und ließ zur Frage der Testierfähigkeit der Erblasserin am 20.8.2010 und 14.9.2010 ein psychiatrisches Gutachten vom 10.2.2012 erstellen. Der Sachverständige Dr. D., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie, kam zu dem Ergebnis, die Erblasserin habe wegen eines demenziellen Syndroms im Rahmen einer Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung sowohl am 20.8. als auch am 14.9.2010 die Bedeutung der von ihr abgegebenen Willenserklärungen weder einsehen noch nach dieser Einsicht handeln können.

Der Beteiligte zu 1 legte daraufhin die eidesstattliche Versicherung des Zeugen Sch. dazu vor, dass die Erblasserin sich bei der Beerdigung ihres Ehemannes am 8.9.2010 mit anderen Anwesenden unterhalten und geistig völlig normal gewirkt habe, sowie eine Stellungnahme des Facharztes für Innere Medizin Dr. T., der es als wahrscheinlich ansah, dass die Patientin während ihrer Krankheit wahrscheinlich zumindest zeitweise in einem Zustand der Geschäfts-und Testierfähigkeit gewesen sei.

Mit Beschluss vom 12. Juni 2012 wies das Nachlassgericht den Erbscheinsantrag des Beteiligten zu 1 zurück. Der Beteiligte zu 1 legte dagegen Beschwerde ein. Zur Begründung trug er vor, das Amtsgericht habe die Erklärung des Notars nicht hinreichend gewürdigt, aufgrund derer zu den Zeitpunkten der Beurkundung zumindest von einem lichten Intervall auszugehen sei. Der Sachverständige habe übersehen, dass sich der Zustand der Erblasserin durch starke Schwankungen ausgezeichnet habe. Dem Gutachten lasse sich auch nicht entnehmen, dass lichte Augenblicke unmöglich gewesen wären. Die Erblasserin sei mehrfach von anderen Personen als völlig normal wahrgenommen worden, wie sich aus den eidesstattlichen Versicherungen seiner Ehefrau, von deren Mutter und der Ehefrau des Großvaters ergebe. Der Beteiligte zu 1 legte außerdem mehrere gutachterliche Stellungnahmen des Neurologen Dr. B. und des Arztes für Neurologie, Psychiatrie sowie Verkehrsmedizin Dr. G. vor, die ein lichtes Intervall bzw. Schwankungen zwischen leichtgradiger und mittelgradiger Ausprägung einer Demenz für möglich hielten.

Der Senat fordert...

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