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Mit einer Pflichtteilsklausel in gemeinschaftlichen Testamenten soll verhindert werden, dass Abkömmlinge der Ehepartner im ersten Erbfall ihren Pflichtteilsanspruch geltend machen. Je nach Formulierung der Klausel handelt es sich dabei im Regelfall um eine auflösend bedingte Schlusserbfolge, wobei Bedingungseintritt die Geltendmachung oder das Verlangen des Pflichtteils ist. Fraglich ist aber, ob auch andere Verhaltensweisen und Handlungen des Abkömmlings, bspw. die Anfechtung des Testaments, unter den Tatbestand einer solchen Bedingung fallen. Mit der Frage der Auslegung des objektiven Tatbestandes der auflösenden Bedingung in den Fällen von Angriffen auf die Erbenstellung des überlebenden Ehepartners beschäftigt sich der nachfolgende Beitrag.

1. Allgemeines

In gemeinschaftlichen Testamenten versucht man über sog. Pflichtteilsklauseln die als Schlusserben bedachten Abkömmlinge davon abzuhalten, beim Ableben des erstversterbenden Ehepartners einen Pflichtteilsanspruch einzufordern.[1] Durch die gegenseitige Vollerbeneinsetzung beim Berliner Testament werden die Abkömmlinge von der Erbfolge ausgeschlossen. Bei der sog. Trennungslösung werden die Abkömmlinge zwar Nacherben, aber auch hier erhalten sie den Nachlass erst nach Ableben des überlebenden Ehepartners, der bei dieser Konstellation Vorerbe wird. Die Abkömmlinge haben bei der Trennungslösung die Möglichkeit, die Nacherbfolge nach § 2306 Abs. 2 BGB auszuschlagen und den Pflichtteil geltend zu machen.[2] Insoweit hat eine Pflichtteilsklausel Abschreckungsfunktion. Wird die Pflichtteilsklausel so gestaltet, dass diejenigen Abkömmlinge, die keinen Anspruch fordern, eine vermächtnisweise Zuwendung erhalten, kommt der Klausel auch eine belohnende Funktion zu.[3]

[1] Eine Sittenwidrigkeit solcher Klauseln wird grundsätzlich verneint; OLG München ZEV 2008, 341.
[2] Damrau/Tanck/Klessinger, Erbrecht, § 2269 Rn 33.
[3] Vgl. J. Mayer in Reimann/Bengel/J. Mayer, Testament und Erbvertrag, § 2269 Rn 120.

2. Arten der Pflichtteilsklauseln

Bei den Pflichtteilsklauseln unterscheidet man daher die einfache Ausschlussklausel, bei der die Abkömmlinge auflösend bedingt zu Schlusserben bestimmt werden, von der so genannten Pflichtteilsstrafklausel,[4] bei der diejenigen Abkömmlinge, die keinen Pflichtteilsanspruch geltend machen, zusätzlich belohnende Vermächtnisse erhalten. Letztere werden der Höhe nach so gestaltet, dass möglichst viel Nachlass wegfließt, damit der Pflichtteilsberechtigte im zweiten Erbfall nicht noch einmal aus der gleichen Nachlassmasse seinen Anspruch erhält. Ferner werden die belohnenden und nachlassreduzierenden Vermächtnisse auf den Tod des überlebenden Ehepartners gestundet, damit sie ihm nicht zu Lebzeiten die Liquidität nehmen. Bei der Pflichtteilsstrafklausel wird daher die auflösend bedingte Schlusserbfolge mit einem Vermächtnis kombiniert, welches den Nachlasswert des überlebenden Ehepartners bei seinem Ableben reduziert.

[4] Jastrow, DNotV 1904, 424.

3. Das Pflichtteilsverlangen, die auflösende Bedingung und ihre Auslegung

Auslegungsschwierigkeiten bestehen in der Praxis häufig bei der Frage, wie der objektive Tatbestand der auflösenden Bedingung auszulegen ist, wenn die Klausel beispielsweise so formuliert ist, dass die Enterbung im Schlusserbfall mit einer "Pflichtteilsgeltendmachung" oder mit einem "Pflichtteilsverlangen" eintreten soll.

Diskutiert wird hier, ob das bloße Anfordern der Auskunft (§ 2314 BGB) ausreichend für das Auslösen der Bedingung ist[5] oder ob ein Zahlungsverlangen erforderlich ist[6] oder ob gar der Pflichtteilsberechtigte seinen Anspruch auch tatsächlich erhalten muss.[7] Fraglich ist auch, ob das bloße Verhandeln über die Absicherung der Schlusserbfolge unter dem Hinweis auf den Pflichtteilsanspruch die Bedingung auslösen kann.[8]

Auch die Fälle der einvernehmlichen Geltendmachung des Pflichtteils durch alle Schlusserben bspw. aus steuerlichen Gründen kann unter Umständen als Erfüllung des objektiven Tatbestandes angesehen werden.[9] Zu beachten gilt es, dass die auflösende Bedingung auch dann ausgelöst werden kann, wenn der Pflichtteilsanspruch an sich verjährt[10] ist oder der Berechtigte auf den Anspruch verzichtet hatte.[11]

[5] BayOLG FamRZ 1991, 494.
[6] BayObLGZ 1990, 58; Lübbert NJW 1988, 2706.
[7] OLG Zweibrücken MittBayNot 1999, 293.
[8] Lübbert ZEV 1997, 335.
[11] OLG München ZErb 2008, 113.

4. Das Angreifen der Erbenposition des überlebenden Ehepartners

a) Allgemeines

Schwieriger wird es mit der Auslegung, wenn der Berechtigte nicht ausdrücklich einen Pflichtteilsanspruch verlangt oder geltend macht, aber bspw. die Erbenposition des überlebenden Ehepartners angreift. Dies kann in der Form geschehen, dass er die Verfügungen für den ersten Erbfall anficht, eine Formungültigkeit des Testaments oder gar die Testierunfähigkeit des Erblassers behauptet.

In diesen Fällen verfolgt der Pflichtteilsberechtigte in der Regel eine Rechtsposition, die sich für ihn – zumindest wirtschaftlich – günstiger darstellt, als der reine Pflichtteilsanspruch. Gleichzeitig wird das Ziel der gemeinsam testierenden Ehegatten, dem überlebenden Ehegatten das gemeinsame Vermögen bis zu desse...

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