Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten der verstorbenen L.W. bei dem sozialen Netzwerk Facebook geltend. Die Klägerin ist die Mutter der am 3.12.2012 im Alter von 15 Jahren verstorbenen L.W. (im Folgenden: Erblasserin). Die Klägerin war zu Lebzeiten der Erblasserin deren gesetzliche Vertreterin und ist nunmehr als Miterbin Teil der Erbengemeinschaft, die neben ihr aus dem Vater der Erblasserin, Herrn H., besteht.

Die Beklagte betreibt das soziale Netzwerk Facebook, über dessen Infrastruktur die Nutzer mit anderen Nutzern über das Internet kommunizieren und Inhalte austauschen können. Für die Nutzung des Dienstes ist die Eingabe von Kontozugangsdaten in Form von Benutzernamen und Passwort erforderlich.

Am 4.1.2011 registrierte sich die Erblasserin im Alter von 14 Jahren bei dem Dienst der Beklagten und unterhielt zuletzt unter dem Nutzernamen "L." einen entsprechenden Account. Am Abend des 3.12.2012 verunglückte die Erblasserin unter bisher ungeklärten Umständen tödlich. Sie wurde im Berliner U-Bahnhof Schönleinstraße von einer einfahrenden U-Bahn erfasst und verstarb wenig später im Krankenhaus. Die Klägerin hoffte, über den Facebook-Account ihrer Tochter etwaige Hinweise über mögliche Absichten oder Motive ihrer Tochter für den Fall zu erhalten, dass es sich bei dem Tod der Erblasserin um einen Suizid handele. Dies war ihr jedoch nicht möglich, da die Beklagte das Benutzerkonto der Erblasserin am 9.12.2012 in den sog. Gedenkzustand versetzte, womit ein Zugang mit den Kontozugangsdaten nicht mehr möglich ist.

Hinsichtlich des weiteren tatsächlichen Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht Berlin hat die Beklagte mit Urteil vom 17.12.2005 verurteilt, der Erbengemeinschaft nach L.W., bestehend aus Frau W. und Herrn H., Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten der verstorbenen L.W. bei dem sozialen Netzwerk Facebook unter dem Nutzerkonto "L." zu gewähren.

Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Klägerin und dem Vater der Erblasserin als Erbengemeinschaft stehe ein Anspruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto "L." ihrer verstorbenen Tochter aus dem auf sie im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB übergegangenen Nutzungsvertrag mit der Beklagten zu. Zwar könne an die Erben nicht das Eigentum an den Servern übergehen, weil diese nicht im Eigentum der Erblasserin gestanden hätten. Allerdings habe die Erblasserin aufgrund eines Vertrags mit der Beklagten das Recht gehabt, auf diese Server zuzugreifen, und dieses Recht sei zusammen mit dem bestehenden Vertragsverhältnis auf die Erben der Erblasserin übergegangen. Auch dieses Vertragsverhältnis sei Vermögen im Sinne des § 1922 BGB. Ein weiterer sachenrechtlicher Bezug bzw. eine Materialisierung der Kommunikationsinhalte sei für die Vererbbarkeit von Ansprüchen aus Verträgen nicht erforderlich. Dabei gelte das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge auch für die höchstpersönlichen Daten im digitalen Nachlass des Erblassers, insbesondere auch in Bezug auf die Vertragsverhältnisse mit sozialen Netzwerken wie Facebook. Die Ansicht, nach der nur die vermögensrechtlichen Teile des digitalen Nachlasses, nicht hingegen die nicht-vermögensrechtlichen vererblich sein sollten, sei abzulehnen, denn eine eindeutige Bestimmung des vermögensrechtlichen Charakters eines Teils des digitalen Nachlasses sei praktisch nicht möglich. Eine solche Differenzierung sei den erbrechtlichen Regelungen des BGB auch fremd, wie sich aus § 2047 Abs. 2 BGB und § 2373 S. 2 BGB ergebe. Eine unterschiedliche Behandlung des digitalen und des "analogen" Nachlasses lasse sich nicht rechtfertigen.

Die Vererblichkeit des schuldrechtlichen Verhältnisses zwischen der Erblasserin und der Beklagten sei nicht wegen besonderer Personenbezogenheit des Nutzungsvertrags ausgeschlossen. Zwar könne die Vererbbarkeit eines schuldrechtlichen Vertrags entsprechend dem Gedanken des § 399 1. Alt. BGB ausgeschlossen sein, wenn sein Inhalt in einem solchen Maße auf die Person des Berechtigten oder des Verpflichteten zugeschnitten sei, dass bei einem Subjektwechsel die Leistung in ihrem Wesen verändert würde. Zwar zeigen die Nr. 8 und 9 der Facebook-Nutzungsbedingungen, dass ein Nutzerprofil stark auf die Person des Nutzers bezogen sei. Gleichwohl besteht eine Schutzbedürftigkeit der Beklagten insoweit nicht, als der Nutzungsvertrag dennoch regelmäßig ohne nähere Prüfung des Nutzers abgeschlossen wird und seine Identität auch im laufenden Betrieb nur in Ausnahmefällen kontrolliert werde.

lm Übrigen möge man zwar davon ausgehen, dass der Vertrag nicht insoweit auf die Erben übergehe, als er über die Nutzung des Accounts unmittelbar an die Person des Nutzers anknüpfe. Allerdings trete der Erbe die Rechtsnachfolge im Sinne einer Gesamtrechtsnachfolge nach § 1922 BGB an allen ver...

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