II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das notarielle Testament vom 4.5.2005 ist unwirksam, und zwar sowohl wegen Testierunfähigkeit des Erblassers zur Zeit der Testamentserrichtung (2. b), als auch wegen der Sittenwidrigkeit des notariellen Testaments (2. c).

1. Soweit die Klage auf der Auskunftsstufe mit dem Teilurteil des Landgerichts teilweise abgewiesen worden ist, hat der Kläger dies hingenommen.

2. a) Die Berufungsbegründung verhält sich nicht zur Frage der ausgeurteilten Verpflichtung der Beklagten, als Erbschaftsbesitzer Auskunft über den Bestand des Nachlasses erteilen zu müssen.

b) Gegenstand der Erörterungen der Berufungsbegründung ist lediglich die vom Landgericht zugrunde gelegte Annahme, der Erblasser sei am 4.5.2005 testierunfähig gewesen.

aa) Nach § 2229 Abs. 4 BGB "kann ein Testament nicht errichten", "wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln".

Dies bedeutet zum einen, dass Störungen der Geistestätigkeit für sich genommen noch nicht zwangsläufig zur Testierunfähigkeit führen. Andererseits genügt es dafür, die Voraussetzungen der Testierfähigkeit feststellen zu können, "nicht, dass der Erblasser eine allgemeine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung des Testaments und von dem Inhalt seiner letztwilligen Anordnungen hatte. Er musste vielmehr auch in der Lage sein, sich über die Tragweite dieser Anordnungen, insbesondere auch über ihre Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen und über die Gründe, die für oder gegen ihre sittliche Berechtigung sprachen, ein klares Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln" (BGH, Urt. v. 29.1.1958 – IV ZR 251/57, BeckRS 1958, 31372778; OLG München, Beschl. v. 14.8.2007 – 31 Wx 16/07, Rn 18, m.w.N., wonach es nicht ausreicht, dass der Testierende in der Lage ist, die eigenen Bezugspersonen zu erkennen und einfache Sachverhalte zu erfassen; ähnlich OLG Hamm, Beschl. v. 5.2.2020 – 15 W 453/17, Rn 23; OLG Karlsruhe, Urt. v. 20.12.2019 – 14 U 99/17, Rn 45).

Störungen der Geistestätigkeit bilden die Ausnahme, sodass der Erblasser so lange als testierfähig anzusehen ist, wie seine Testierunfähigkeit nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen ist, wobei das Beweismaß kein anderes ist als sonst im Anwendungsbereich von § 286 ZPO. Absolute bzw. mathematische Gewissheit darf, weil nicht erreichbar, nicht verlangt werden. Der Richter darf und muss in tatsächlich zweifelhaften Fällen einen für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit fordern bzw. sich mit einem solchen begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Letzte, fernliegende und nicht völlig auszuschließende Zweifel sollen der Überzeugung nicht entgegenstehen.

Im Prozess hat die Testierunfähigkeit grundsätzlich derjenige zu beweisen, wer sich, wie hier der Kläger als eingesetzter Nachlasspfleger, auf sie beruft.

Eine Betreuung als solche berührt die Testierfähigkeit nicht; auch für den Betreuten besteht die Vermutung der Testierfähigkeit (vgl. OLG München, Beschl. v. 31.10.2014 – 34 Wx 293/14, Rn 7, m.w.N.). Dabei gibt es keine – etwa nach dem Schwierigkeitsgrad des Testaments abgestufte (relative oder partielle) – Testierfähigkeit; die Fähigkeit zur Testamentserrichtung ist entweder gegeben oder fehlt ganz (ganz h.M., vgl. nur OLG Hamm, Urt. v. 6.3.2014 – 10 U 76/13, Rn 81 bei juris; OLG München, Beschl. v. 14.8.2007 – 31 Wx 16/07, Rn 18 bei juris, m.w.N.).

Unbeachtlich ist der Hinweis der Beklagten darauf, der Erblasser sei nicht kurz nach Errichtung seiner letztwilligen Verfügung verstorben, sondern habe vielmehr noch sieben weitere Jahre in dem Bewusstsein gelebt, seinen Nachlass in seinem Sinne geregelt zu haben. Für den Fall der Testierunfähigkeit kommt diesem Umstand keine Bedeutung zu und ist die verbliebene Lebensdauer ohne Belang. Anknüpfend an die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung ist nochmals darauf zu verweisen, dass der Senat keineswegs die – auch grundgesetzlich geschützte (Art. 14 Abs. 1 S. 1 2. Alt. GG) – Testierfreiheit in irgendeiner Form in Abrede nimmt oder einschränkt; die Testierfreiheit beginnt aber erst dort, wo Testierfähigkeit besteht (s.a. BVerfG, Beschl. v. 19.1.1999 – 1 BvR 2161/94, Rn 42).

bb) Die Auswertung der Unterlagen ergibt zur Testierfähigkeit des Erblassers am 4.5.2005 das folgende Bild:

– PD Dr. med. D. D., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, und Dr. med. C. T., Facharzt für Neurologie erstellten zu Beginn des Betreuungsverfahrens ein Gutachten, das sich auf die Untersuchung des Erblassers vom 4.1.2005 stützt. Danach bestand beim Erblasser ein ausgeprägtes hirnorganisches Psychosyndrom mit Kurzzeitgedächtnisstörung und eine latente Halbseitenlähmung rechts bei Hirninfarkt links temporal und occipital unter ...

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