Echte Steuerbefreiungen[4] führen immer zu einer Ungleichbehandlung von denjenigen, die in den Genuss der Befreiung kommen, und denjenigen, die ohne Steuerbefreiung die reguläre Steuerlast tragen müssen. Aufgrund des Ausmaßes der mit’den erbschaftsteuerlichen Verschonungsregelungen einhergehenden Ungleichbehandlungen hatte das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2014 die Verschonungsregelungen in der damals geltenden Fassung für verfassungswidrig erklärt.[5] Einer der Gründe für die Verfassungswidrigkeit war die fehlende Differenzierung zwischen kleinen und mittelständischen Unternehmen einerseits und Großunternehmen andererseits. Während bei der Übertragung kleinerer und mittlerer Unternehmen die Ungleichbehandlung auch ohne Feststellung einer tatsächlichen Gefährdung der Unternehmen durch die Erbschaftsteuerlast nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts grundsätzlich noch gerechtfertigt war, konnte diese unwiderlegliche Gefährdungsvermutung bei der Übertragung größerer Unternehmen aus gleichheitsrechtlichen Gründen nicht mehr hingenommen werden.[6]

Der Gesetzgeber reagierte auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit dem Gesetz zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.[7] Statt einer Neukonzeption handelt es sich um ein Reparaturgesetz, mit dem der Gesetzgeber versucht, die einzelnen vom Bundesverfassungsgericht festgestellten Anknüpfungspunkte für die Verfassungswidrigkeit neu und dieses Mal verfassungskonform zu regeln. In Bezug auf die fehlende Differenzierung zwischen den Erwerbsgrößen entschied sich der Gesetzgeber als Reparaturmaßnahme für die Einführung der sogenannten 26-Mio.-Euro-Erwerbsgrenze. Gemäß § 13a Abs. 1 S. 1 ErbStG ist einschlägiges begünstigtes Vermögen nur dann steuerfrei in Höhe des Verschonungsabschlags, wenn der Erwerb insgesamt[8] 26 Millionen EUR nicht übersteigt. Im Fall des Überschreitens der 26-Mio.-Euro-Erwerbsgrenze kann der Steuerpflichtige die Verschonung nur noch im Wege des Abschmelzmodells (§ 13c ErbStG) oder nach Bestehen der sogenannten Verschonungsbedarfsprüfung (§ 28a ErbStG) in Anspruch nehmen. Beim Abschmelzmodell reduziert sich der Verschonungsabschlag in Abhängigkeit von der Größe des Erwerbs, wobei ab einer Erwerbsgröße von 90 Mio. EUR eine Verschonung nicht mehr gewährt wird. Im Fall der Verschonungsbedarfsprüfung wird die Erbschaftsteuer erlassen, soweit der Erwerber nachweist, dass er persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem verfügbaren Vermögen zu begleichen. Als verfügbares Vermögen gelten gemäß § 28a Abs. 2 ErbStG 50 % des vom Erwerber mit erworbenen und 50 % des beim Erwerber bereits vorhandenen, nicht begünstigten Vermögens.

[4] Anders verhält es sich mit technischen Steuerbefreiungen, die gerade der Herstellung der Gleichbehandlung dienen, vgl. hierzu Birk/Desens/Tappe, Steuerrecht, 21. Auflage 2018/2019, § 1, Rz 92; kritisch zur Begriffswahl: Tipke/Lang/Seer, Steuerrecht, 23. Auflage 2018, § 6, Rz. 50.
[7] BGBl. I 2016, 2464.
[8] Mehrere Erwerbe von derselben Person innerhalb von zehn Jahren werden zusammengerechnet, § 13a Abs. 1 S. 2 ErbStG.

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