Zu diesem Ergebnis kann das KG nur deshalb kommen, weil es den Kontext, in dem der BGH die vom ihm für seine Interpretation des Tenors zitierten Aussagen gemacht hat, bei seiner Auslegung ignoriert.

Insbesondere in den oben vom KG zitierten Rz. 36 und 37 geht es dem BGH nicht darum, den Anspruch auf Zugang zum Benutzerkonto auf die Kenntnisnahme von Kommunikationsinhalte einzuschränken. Vielmehr erörtert der BGH dort den Einwand von Facebook, die angebotenen Dienste seien höchstpersönlicher Natur. Der BGH weist darauf hin, dass es den Klägern gerade nicht um die "Fortführung des Kontos durch aktive Nutzung" geht und zieht den bereits an anderem Ort angestellten[21] Vergleich mit der Rechtsnachfolge in einen Girovertrag.[22] Diese ist nicht ausgeschlossen, auch wenn es sich um individualisierte Dienste höherer Art handelt. Vielmehr treten die Erben in den Girovertrag ein. Erst wenn sie beginnen, das Girokonto für eigene Zwecke zu nutzen, begründen sie eine eigene neue Rechtsbeziehung mit der kontoführenden Bank. Bis dahin führen sie aber das Konto für den Nachlass weiter und haben nicht nur einen Anspruch auf Auszahlung des Kontoguthabens.

Die vom KG zitierten Passagen aus den Urteilsgründen des BGH sprechen also gerade für einen Zugang zum Benutzerkonto, der über ein "passives Leserecht" oder eine bloße "Kenntnisnahme der Kommunikationsinhalte" hinausgeht. Die Rechtsnachfolge in den Nutzungsvertrag berechtigt zum Zugang und zur Nutzung des Benutzerkontos zum Zweck der Regelung der Angelegenheiten des Nachlasses.

Die Interpretation des Tenors durch das KG konterkariert mithin die zentrale Aussage des BGH-Urteils, wonach die Erben nach § 1922 Abs. 1 BGB in den Vertrag der Erblasserin mit Facebook eingetreten sind.[23] Das berechtigt sie ggf. nicht dazu, das Benutzerkonto für eigene Zwecke weiterzuführen, wie der BGH richtig ausgeführt hat. Allerdings berechtigt die Rechtsnachfolge sie, wie sich auch schon aus dem Wortlaut des Tenors ergibt, zum "Zugang zum vollständigen Benutzerkonto".

[21] Herzog, NJW 2013, 3745, 3749; Herzog/Pruns, Der digitale Nachlass in der Vorsorge- und Erbrechtspraxis, § 4 Rn. 37 f.
[22] BGH v. 18.1.2000 – XI ZR 160/99, NJW 2000, 1258; BGHZ 131, 60, 64.
[23] Zu diesem Aspekt auch Biermann, ErbR, 341 (343 ff.).

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