Sofern die Stollen zum "Westwall" gehörten, ergibt sich eine andere Beurteilung. Dieser Fall sowie die Tatbestände der Teilleistungen und derjenige der Verdinglichung der Ansprüche sind Varianten, die zu der Anmeldefrist des § 28 AKG führen. Sie sind nacheinander zu beleuchten.

I. Anspruch aus § 1004 BGB i.V.m. § 95 BGB und §§ 19 II, 2 Nr. 3 AKG

1. Voraussetzungen für eine "Bundesverbindlichkeit aus der Reichserbschaft"

Eine aufgrund einer von Reichsdienststellen vor dem 24.5.1949 verursachte Einwirkung unterfällt womöglich den Reichsverbindlichkeiten im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 1 AKG. Gemäß § 2 Nr. 3 AKG läge eine "Bundesverbindlichkeit aus der Reichserbschaft"[33] (Deutsches Reich) vor, die ebenfalls dem Regime des § 19 Abs. 2 S. 2 AKG unterfällt.

§ 2 Nr. 3 AKG postuliert dazu, dass eine dem Deutschen Reich gehörende Sache, von der die Eigentumsbeeinträchtigung ausgeht, in das Eigentum oder die Verwaltung des Bundes gelangte. Der Luftschutzstollen müsste nicht nur vorübergehend auf dem fremden Grund errichtet worden sein, sondern wäre als Scheinbestandteil gemäß § 95 BGB im Eigentum des Reichs bzw. Bundes, mithin sonderrechtsfähig (siehe Art 134 GG und Art. 131 Weimarer Reichsverfassung, die im Dritten Reich formell nicht außer Kraft gesetzt wurde).

Dies wäre der Fall, wenn er durch den Einsatz der Wehrmacht Teil der Westwallanlagen geworden wäre.

[33] Sehr einprägsam die Formulierung jüngst OVG Lüneburg v. 12.7.2019 – 13 OB 350/18, BeckRS 2019, 15257.

2. Teil des "Westwalls"

Die aktive Tätigkeit der Wehrmacht beim "Abmauern" (siehe oben) belegt, dass das Militär auch für seine Zwecke im Stollen arbeitete, auch und ggf. mit gemäß NotdienstVO herangezogenen zivilem Hilfspersonal, welches auf dieser Weise in den Reichsdienst integriert wurde. Daraus resultiert, dass Wehrmacht und Zivilbehörden zusammengearbeitet haben.

a) Wehrmacht und Westwall

Diese Zusammenarbeit mit den Zivilbehörden ist beim "Westwall" historisch erforscht. Bettinger/Büren schreiben in ihrem Gemeinschaftswerk[34] über "Die Zusammenarbeit mit den Zivilbehörden"[35]:

"Von besonderer Bedeutung beim Bau der Westbefestigungen war zweifellos die Zusammenarbeit der militärischen und zivilen Dienststellen und Behörden. Mit Schreiben vom 25.7.1930 regelte das HGruKdo 2 (= Heeresgruppenkommando 2) auch diese wichtige Angelegenheit. Es läge im Interesse der Sache, wenn mit allen infrage kommenden Zivilbehörden enges Einvernehmen und vertrauensvolle Zusammenarbeit bestünden […]."

Dann folgt die fein ziselierte Verwaltungsstruktur. Denn es wurde verfügt, dass die im Bereich "Limes" eingesetzten militärischen Stellen ihre Wünsche und Forderungen an die örtlich zuständigen Zivilbehörden, wie etwa Regierungspräsidenten, Landräte, Bürgermeister, zu richten hätten. Man erachtete es seitens des HGruKdo auch für notwendig, die zuständigen Stellen der inneren Verwaltung über die Truppenbelegung in den einzelnen Gebieten fortlaufend zu unterrichten. Wenn auch die nach normalen Bedingungen gegebenen Fristen nicht einzuhalten waren, sollten doch unmittelbar an die Landräte der betroffenen Kreise unter gleichzeitiger Beteiligung der Regierungspräsidenten fortlaufend Mitteilungen über die Truppenbewegungen gemacht werden.[36]

Nach Hitlers Willen sollten die Westbefestigungen an einer verteidigungsfähigen Anlage weiter ausgebaut werden. In seiner Weisung vom 11.4.1939 ordnete der "Führer und oberste Befehlshaber der Wehrmacht" im Rahmen der Sicherung der Grenzen des Deutschen Reiches an:

Zitat

"Vordringlich bleibt die weitere Ausgestaltung der Westbefestigungen zu einer permanenten Anlage, die auch gegen 3-4fache Überlegenheit des Angreifers sicher gehalten werden kann. Hierzu ist der Einbau weiterer starker Werke unerläßlich. In 2. Linie sollen die Befestigungen im Osten zum Abschluß gebracht und südlich des Oder-Warthe-Bogens an die polnische Grenze vorverlegt werden."[37]

[34] Bettinger/Büren, Der Westwall. Die Geschichte der deutschen Westbefestigungen im Dritten Reich, 1. Band: Der Bau des Westwalls 1936-1945 (Bettinger) sowie 2. Band: Die technische Ausführung des Westwalls (Büren), beide Bände Osnabrück 1990.
[35] Büren, 2. Band, S. 121.
[36] Westwall, 2. Band, S. 121.
[37] Westwall, 2. Band. S. 428.

b) Sonderrechtsfähigkeit nach § 95 Abs. 1 S. 1 BGB

Damit kann sogar eine Sonderrechtsfähigkeit konstruiert werden, denn das Reich hatte durch Einsatz der Wehrmacht vielfach eine "Abmauerung" veranlasst, unabhängig ob es sich um Schließung, oder wohl um Absicherung eines Stollens gehandelt hat. Infolgedessen liegt eine Handlung vor, die eine Haftung des Deutschen Reiches nach Art. 131 Weimarer Reichsverfassung, übergeleitet nach Art. 134 GG auf die Bundesrepublik, nach sich zieht.

An dieser Stelle ist auf besondere Judikatur bzgl. "Todt" aufmerksam zu machen, die unter der Überschrift der Sonderrechtsfähigkeit von Wehrmachtseigentum figuriert.

Die frühe Entscheidung des OLG Hamm v. 11.1.1949[38] steht unter den Stichworten "Baracken, als Bestandteile, Behelfsheime, als Bestandteil, Bestandteile, Grundstücksbestandteile, von Gebäuden, Bundesverwaltungsgericht, Bunker als Grundstücksbestandteile, Bunker, als Grundstücksbestandteile, Gebäude, des Pächters, Grundstücke, Holzbaracken, als Grundstücksbestandteil, Holztäfelung,...

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