I. Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen weiteren Anspruch aus §§ 2147 Satz 1, 2174 BGB.

1. Unstreitig ist der Beklagte aufgrund des Erbvertrages vom 26.11.2017 Schlusserbe der Eheleute M. geworden und u. a. mit einem Quotenvermächtnis beschwert (§§ 1939, 1941 Abs. 1 BGB). Die Klägerin ist als Tochter der ursprünglich Bedachten Frau W. Ersatzvermächtnisnehmerin mit einem Anteil von ½ (§ 2190 BGB).

2. Der Vermächtnisanspruch der Klägerin ist mit der vorgerichtlich erfolgten Zahlung in Höhe von 28.179,90 EUR jedoch bereits vollständig erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB).

Die in den Nachlass fallenden Aktien der S. AG und der O. AG sind nicht mit einem Wert von 30  % von dem Vermächtnis umfasst. Sie bleiben bei der Berechnung des Geldvermächtnisses außer Betracht. Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt Gegenteiliges nicht aus § 4 Nr. 2.1 des Erbvertrages.

a) Bei den hier streitigen Aktien handelt es sich nicht um Bargeld im Sinne der Ziffer (1) und auch nicht um ein Guthaben bei einem Kreditinstitut im Sinne der Ziffer (2). Zwar liegt es nahe und ist auch unstreitig, dass die Aktien auf einem bei einer Bank geführten Depot gebucht waren. Aus dem hierdurch begründeten Verwahrungsverhältnis (§§ 2 ff DepotG) erwächst dem Depotinhaber jedoch nur ein Herausgabeanspruch, kein Guthaben. Werden die Aktien auftragsgemäß verkauft, so wird der hierbei erzielte Erlös abzüglich der Gebühren auf einem Referenzkonto gutgeschrieben und erst hierdurch entsteht ggf. ein Guthaben.

b) Eine Aktie stellt auch zweifellos keine in einem Wertpapier verbriefte Geldforderung im Sinne der Ziffer (3) dar.

aa) Sie verbrieft vielmehr das Mitgliedschaftsrecht in einer Aktiengesellschaft (§§ 8, 10 Abs. 5 AktG; vgl. auch Spindler/Stilz/Vatter, AktG, 4. Aufl., § 10 Rn 2; Hölters/Solveen, AktG, 3. Aufl., § 10 Rn 3 f). Diese Mitgliedschaft vermittelt insbesondere Mitwirkungsrechte, namentlich Stimm- und Auskunftsrechte. Sie vermittelt auch Vermögensrechte in Gestalt eines Dividendenanspruchs (§§ 58 Abs. 4, 60 Abs. 1 AktG). Dieser auf Geldzahlung gerichtete Anspruch ist jedoch von weiteren Voraussetzungen abhängig und wird durch die Aktie gerade nicht verbrieft.

bb) Dementsprechend sind von den Mitgliedschaftspapieren die Forderungspapiere bzw. Geldpapiere zu unterscheiden (vgl. BeckOGK/Vogel, BGB, § 793 Rn 18 [Stand: 1.1.2019]; NK-BGB/Schödel, 3. Aufl., § 793 Rn 3). Bei Letzteren besteht das verbriefte Recht in einer Geldforderung. Hierunter fallen insbesondere die in der fraglichen Klausel des Erbvertrages explizit genannten Wechsel und Schecks, aber auch Schuld-verschreibungen (§§ 793 ff BGB) oder das Sparbuch (§ 808 BGB). Dieser Unterscheidung waren sich die Erblasser offenkundig bewusst, nachdem ausdrücklich und nur von solchen Forderungspapieren die Rede ist und auch erkannt worden ist, dass bestimmte Forderungspapiere – wie das Sparbuch – bereits durch die vorstehende Auflistung unter Ziffern (1) und (2) erfasst sein könnten. Für das enge wertpapierrechtliche Verständnis spricht ferner, dass die Erbvertragsparteien erkannt haben, die verbriefte Geldforderung unter Umständen erst gegen den (Dritt-)Schuldner durchgesetzt werden muss und vor der Erfüllung durch den (Dritt-)Schuldner auch der Vermächtnisanspruch nicht fällig ist. Dieses Szenario ist bei Aktien und einer ggf. erfolgenden Dividendengutschrift nicht vorgesehen.

cc) Zu berücksichtigen ist zudem, dass sonstige Forderungen – insbesondere auf andere Leistungen als Geld – gemäß Ziffer 2.1 a.E. ausdrücklich vom Vermächtnis ausgenommen worden sind. Nichts anderes ergibt sich aus der Überschrift der Ziffer 2 von § 4 des Erbvertrages. Hier ist zwar nur von "Wertpapiervermögen" die Rede. Es handelt sich dabei jedoch offensichtlich nur um eine grobe Umschreibung des wesentlichen Regelungsgehalts der nachfolgenden Klausel, während der eigentliche – und hier maßgebliche – Regelungsteil deutlich differenzierter ausgefallen ist.

dd) Es mag sein, dass es sich bei dem Inhaber der Aktien, dem Erblasser J. M., um einen juristischen Laien gehandelt hat, der im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages bereits 80 Jahre alt war. Der Vertrag ist jedoch entsprechend der Vorschrift des § 2276 Abs. 1 Satz 1 BGB in notarieller Form und angesichts der einzelfallbezogenen Anordnungen nach juristischer Beratung durch den Notar/Notarassessor geschlossen worden. Daher ist davon auszugehen, dass auf eine juristisch präzise Formulierung Wert gelegt worden ist und deren Sinn auch Gegenstand der Beratung war. Da es sich unstreitig um Mitarbeiteraktien gehandelt hat, war der Erblasser J. M. im Zeitpunkt der Errichtung des Erbvertrages bereits Inhaber der hier streitigen Aktien. Es wäre daher überaus naheliegend gewesen, diese Aktien ausdrücklich als solche zu erwähnen, wenn sie Gegenstand des Vermächtnisses sein sollten. Jedenfalls hätte dann keine Notwendigkeit bestanden, eine wertpapierrechtlich differenzierende Formulierung zu wählen und es wäre ein leichtes gewesen, allgemein von "Wertpa...

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