Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine Abfindung je nach ihrem arbeitsrechtlichen Hintergrund unterschiedlichen Zwecken dienen. Die arbeitsrechtliche Qualifikation der Abfindung lässt keine zwingenden Rückschlüsse auf die Behandlung der Abfindung bei der Berechnung des unterhaltsrechtlichen Einkommens zu. Art und Umfang der Heranziehung der Abfindung zur Errechnung von Elternunterhalt wird unterhaltsrechtlich entschieden und zu diesem Zweck wird der steuerrechtlich ermittelte Betrag ggf. unterhaltsrechtlich korrigiert. So kann eine Abfindung bei unterhaltsrechtlicher Betrachtung z.B. dann nicht herangezogen werden, wenn der Unterhaltspflichtige im Anschluss an das beendete Arbeitsverhältnis sogleich eine neue Arbeitsstelle erlangt, die ihm ein der früheren Tätigkeit vergleichbares Einkommen einbringt.[3] Kann der Unterhaltspflichtige dagegen sein früheres Einkommen nicht mehr erzielen, so muss die Abfindung nach der Rechtsprechung unterhaltsrechtlich grundsätzlich zur Aufstockung des verringerten Einkommens eingesetzt werden. Die Abfindung als Ersatz des fortgefallenen Arbeitseinkommens dient in solchen Fällen dazu, die bisherigen wirtschaftlichen Verhältnisse aufrechterhalten zu können.[4] Je nach den Umständen des Falles, insbesondere bei dauerhafter Arbeitslosigkeit oder aber bei nicht bestehenden Aussichten auf eine künftige Steigerung des Einkommens, kann die Abfindung auf einen längeren Zeitraum zu verteilen sein. Auf welchen Zeitraum die Abfindung im Einzelfall umzulegen ist, unterliegt der tatrichterlichen Angemessenheitsprüfung.[5]

Fraglich ist nun, ob im Elternunterhalt eine solche Korrektur überhaupt noch zulässig ist. Bleibt sie zulässig, so muss in dem Fall, in dem die Abfindung steuerrechtlich den Einkünften, unterhaltsrechtlich aber dem Vermögen zugeschlagen wird, der Elternunterhalt für das reguläre Einkommen aus dem Einkommen berechnet werden und – wenn das den Bedarf des Elternteils nicht deckt – für die Abfindung aus Vermögen. Dann ist zu prüfen, ob das Vermögen als Altersvorsorgevermögen geschützt ist oder nicht. Ob zu zahlen ist oder nicht, unterliegt damit einer gewissen Beliebigkeit.

Ist die unterhaltsrechtliche Korrektur dagegen unzulässig, kann die Inanspruchnahme auf Elternunterhalt wegen eines einzelnen exorbitanten Jahres möglich werden, obwohl das Kind "im Längsschnitt betrachtet" keines von den Kindern in "auskömmlichen" Lebensverhältnissen ist, die der Gesetzgeber regelhaft in Anspruch nehmen wollte.

Wird die Abfindung als Einkommen unterhaltsrechtlich auf mehrere Kalenderjahre verteilt, dann ist es gut möglich, dass zwar im konkreten Kalenderjahr des Bezuges die steuerliche 100.000-Euro-Gesamteinkommensgrenze "gerissen" wird, die unterhaltsrechtliche Verteilung auf mehrere Kalenderjahre unter Berücksichtigung des nachfolgend zwingend für notwendig gehaltenen Selbstbehaltes aber dazu führt, dass Elternunterhalt mangels unterhaltsrechtlicher Leistungsfähigkeit in keinem Kalenderjahr geschuldet wird.

Über die Beliebigkeit solcher Sonderkonstellationen hat sich der Gesetzgeber auch nicht ansatzweise Gedanken gemacht. Die Abfindung ist eine Sondersituation, die nichts mit regelhaft auskömmlichen Lebensverhältnissen zu tun hat oder die Lebenssituation des unterhaltspflichtigen Kindes nachhaltig prägt. Die unterhaltsrechtliche Korrektur sollte zulässig bleiben und als Sondersituation möglichst nicht zu Elternunterhalt führen.

 

Hinweis:

Betroffenen muss man raten, darauf zu achten, dass Abfindungen taktisch ggf. so verteilt werden, dass die 100.000-Euro-Grenze möglichst nicht überschritten wird.

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