Die kinderlose verwitwete Erblasserin ist am 5.4.2007 im Alter von 96 Jahren verstorben. Ihr gleichaltriger Ehemann, mit dem sie seit 1960 verheiratet gewesen war, ist 1985 im Alter von 74 Jahren vorverstorben. Die Beteiligte zu 1, eine Nichte des Ehemanns, wurde von der Erblasserin mit notariellem Testament vom 30.6.2006 als Alleinerbin eingesetzt. Der Beteiligte zu 2 (geboren 1931), der angenommene Sohn des Erblassers aus erster Ehe, ist in dem zwischen ihm und beiden Ehegatten geschlossenen Erbvertrag vom 20.11.1970 als Schlusserbe eingesetzt. Beide Beteiligte haben jeweils einen Alleinerbschein beantragt.

Die Erblasserin hatte mit ihrem Ehemann am 21.1.1965 einen Erbvertrag errichtet, mit dem sich die Ehegatten gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben und den Beteiligten zu 2 als Erben des zuletzt Versterbenden einsetzten. Mit Erbvertrag vom 20.11.1970, der auch mit dem Beteiligten zu 2 geschlossen wurde, hoben die Ehegatten den Erbvertrag vom 21.1.1965 auf (Ziffer I) und setzten sich gegenseitig zu Alleinerben und den Beteiligten zu 2 als Schlusserben ein (Ziffer II). Unter Ziffer VI. wurde "klarstellend ... festgelegt, dass die unter Abschnitt II getroffenen Bestimmungen im Wege des Erbvertrags vereinbart sind, wobei (der Beteiligte zu 2) und der jeweilige Ehegatte ... soweit letzterer nicht als Erblasser auftritt, Vertragspartner des Erblassers sind".

Mit notariellem Vertrag vom selben Tag übertrug der Ehemann seine in Gemeinschaft mit dem Beteiligten zu 2 ausgeübte Zahnarztpraxis auf diesen. Der Beteiligte zu 2 verpflichtete sich darin zur Zahlung einer wertgesicherten monatlichen Unterhaltsrente von 1.000 DM an den Übergeber auf dessen Lebensdauer und von 600 DM an die Ehefrau des Übergebers nach dessen Ableben. Wegen dieser Zahlungsverpflichtungen unterwarf sich der Beteiligte zu 2 der sofortigen Zwangsvollstreckung in sein gesamtes Vermögen. Mit der Beendigung seiner beruflichen Tätigkeit stellte der Beteiligte zu 2 ab September 1999 die Zahlung der Unterhaltsrente an die Erblasserin ein, nach seinem Vortrag in Absprache mit dieser. Am 21.10.2002 erteilte die Erblasserin dem Beteiligten zu 2 eine notarielle Vorsorgevollmacht. Mit Anwaltsschreiben vom 3.4.2006 widerrief sie diese Vollmacht und forderte den Beteiligten zu 2 außerdem zur Zahlung der Unterhaltsrente für die letzten sechs Jahre auf. Am 18.7.2006 ließ sie insoweit Vollstreckungsauftrag erteilen. Auf die Vollstreckungsabwehrklage des Beteiligten zu 2 wurde die Zwangsvollstreckung mit Beschluss vom 13.9.2006 einstweilen eingestellt.

Mit notarieller Urkunde vom 30.6.2006 erklärte die Erblasserin den Rücktritt von ihren im Erbvertrag vom 20.11.1970 getroffenen Verfügungen wegen Verfehlung des Bedachten nach § 2294 BGB. Zur Begründung führte sie aus, dieser habe eine erteilte Vollmacht missbraucht und ihr Vermögen veruntreut. Er habe aus ihrer Wohnung Gegenstände entwendet und an sich genommen, wie z. B. persönliche Papiere, betriebliche Zeugnisse und Urkunden ihrer Eltern und Großeltern, ferner Grundbuchauszüge und Urkunden betreffend ihre Immobilien, fünf wertvolle Handtaschen, ein Lederkostüm, ein Trachtenkleid und Schmuck. Ebenfalls verschwunden seien ein Handkoffer mit Unterlagen für das Finanzamt, persönliche Aufzeichnungen und Adressbücher und eine Hutschachtel mit wertvollen Straußenfedern, ferner Fotos. Der Bedachte habe ohne ihr Wissen Geld aus Luxemburg zur Kreissparkasse überführt. Er habe sie über Jahre tief erniedrigt und respektlos behandelt und ihre Menschenwürde verletzt.

Die Rücktrittserklärung wurde dem Beteiligten zu 2 zugestellt. Mit notariellem Testament vom selben Tag wiederholte die Erblasserin ihre Rücktrittserklärung und setzte die Beteiligte zu 1 zu ihrer Alleinerbin ein. Mit Nachtrag vom 14.7.2006 erklärte sie den Rücktritt auch bezüglich des Erbvertrags vom 21.1.1965. Mit notarieller Urkunde vom 20.3.2007 erklärte sie die Anfechtung der Erbverträge vom 20.11.1970 und 21.1.1965 aus allen erdenklichen rechtlichen Gründen und stützte diese insbesondere darauf, sie habe erstmals durch ein Anwaltsschreiben vom 28.2.2007 erfahren, dass es sich bei dem Beteiligten zu 2 um den Adoptivsohn ihres Ehemannes handle. In Kenntnis dieser Tatsache hätte sie die Erbverträge nicht abgeschlossen.

Mit Klageschrift vom 28.7.2006 beantragte die Erblasserin Feststellung, dass sie wirksam von den Erbverträgen vom 21.1.1965 und 20.11.1970 zurückgetreten sei. Mit Schriftsatz vom 28.3.2007 beantragte sie zudem Feststellung der Unwirksamkeit der beiden Erbverträge, hilfsweise Feststellung des wirksamen Rücktritts. Das Verfahren wurde nach dem Tod der Erblasserin ausgesetzt.

Der Nachlass besteht im Wesentlichen aus Bankguthaben und Wertpapieren; der Reinnachlasswert beträgt rund 110.000 EUR. Das Anwesen in H., das die Ehegatten bewohnt hatten, hatte die Erblasserin, vertreten durch die Beteiligte zu 1, mit Überlassungsvertrag vom 5.4.2007 an deren Kinder übertragen, die Immobilie in M. mit Überlassungsvertrag vom 7.3.2007 an die Betei...

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