Im Fokus des Interesses der Gestaltungsberatung stehen im ErbStG oft die wiederholt geänderten Vorschriften der Befreiungen für betriebliches Vermögen (§§ 13a ff. ErbStG) oder auch die Erwerbstatbestände. Eher "unspannend" auf den ersten Blick erscheint der Abzug von Nachlassverbindlichkeiten nach § 10 ErbStG. Allerdings bestimmt sich die Steuerbelastung letztendlich über die Differenz von Aktiva und Passiva. Deswegen sollte dieser Bereich nicht in Vergessenheit geraten: Im JStG 2020 wurde eine bereits 2019 erwogene Gesetzesänderung verwirklicht. In § 10 Abs. 6 S. 5 ff. und § 5 Abs. 1 S. 6 ErbStG wurde eine umfassende Schuldenkürzung in dem Verhältnis eingeführt, in dem die Aktiva wegen der Begünstigungen für betriebliches Vermögen nach §§ 13a ff. ErbStG gemindert sind. Die vormalige Rechtsprechung des BFH v. 22.7.2005 (z.B. II R 12/14, BStBl. II 2015, 230, Zugewinnausgleichsforderung) wurde damit überspielt. Danach sollte ein bloßer rechtlicher Zusammenhang, z.B. bei einer Zugewinnausgleichsforderung mit allen Vermögenspositionen des Nachlasses, nicht für eine Kürzung ausreichen dürfen, weil ein rechtlicher Zusammenhang eben dem vormals geforderten wirtschaftlichen Zusammenhang nicht gleich zu setzen ist.

Fortan muss der Steuerberater in den betroffenen Fällen, in denen Pflichtteilansprüche (oder bei Eheleuten häufig die steuerfreie Zugewinnausgleichsforderung nach § 5 ErbStG) vom Erbe abzuziehen sind und zugleich die vorgenannten Entlastungen greifen, zumeist umfängliche Detailberechnungen anstellen. Der Aufwand sollte nicht unterschätzt werden.

Auch die Rechtsprechung zu Nachlassverbindlichkeiten ist immer wieder interessant:

Der BFH hat gerade Steuerberatungskosten für eine postmortale Nacherklärung bei der Einkommensteuer des Erblassers als Erblasserschulden i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG zum Abzug anerkannt und zugleich auch Räumungskosten einer Eigentumswohnung des Erblassers jetzt als Erwerbsaufwand i.S.d. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG (BFH v. 14.10.2020 II R 3019, DStR 2021, 718). Hingewiesen sei darauf, dass bei einer Mietwohnung des Erblassers mit Räumverpflichtung gegenüber dem Vermieter aufgrund der BGB-Vorschriften bereits eine Nachlassverbindlichkeit nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG – ohne Notwendigkeit des Überschreitens des Pauschbetrages von EUR 10.300 – vorgelegen hätte. Die Liste der spannenden Urteile lässt sich verlängern, z.B. für vergebliche Rechtsverfolgungskosten aufgrund einer Erbstreitigkeit (BFH jeweils v. 6.11.2019 II R 29/16, BStBl. II 2020, 505; II R 6/17, BStBl. II 2020, 509). Pflichtteilsansprüche, die nach dem Tod des überlebenden Ehepartners vom zunächst durch ein Berliner Testament beim ersten Sterbefall enterbten Schlusserben faktisch gegen sich selbst geltend gemacht werden, sind nur solange abzugsfähig, wie sie nicht verjährt sind (BFH jeweils v. 5.2.2020 II R 1/16, BStBl. II 2020, 581; II R 17/16, BStBl. II 2020, 584). Ob die Jastrow‘sche Klausel mit einem bis zum Tod des zweiten Ehepartner aufgeschobenen, aber schon beim Tod des ersten Ehepartner ausgesetzten Vermächtnis bereits dann zu einem Abzug aufgrund wirtschaftlicher Belastung beim überlebenden Ehepartner führt, darf auch der BFH in Kürze klären (vgl. anh. Rev. BFH II R 34/20).

Zerberus meint: Dass "Kleinvieh auch Mist macht", dürfte im Hinblick auf Nachlassverbindlichkeiten und ihre erheblichen Auswirkungen auf die Erbschaftsteuerbelastung sogar untertrieben sein. Dieser Bereich des Erbschaftsteuerrechts verdient ein wachsames Auge.

ZErb 5/2021, S. 1

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