Die Entscheidung des Finanzgerichts baut auf der u.E. unzutreffenden Annahme auf, dass die Nacherben gem. § 6 Abs. 2 ErbStG ein in der Person des Vorerben für erbschaftsteuerliche Zwecke fiktiv vereinheitlichtes Vermögen erworben haben sollen, das aus dem Eigenvermögen des Vorerben und dessen beiden Vorerbschaftsvermögen besteht. Dabei ist es für das Finanzgericht ohne Belang, wie viele Vorerbschaftsvermögen dies auch sein mögen.

U.E. ist jedoch folgendes maßgeblich:

a) In § 6 Abs. 2 S. 1 ErbStG ist lediglich die Fiktion geregelt, dass der Nacherbe das Vorerbschaftsvermögen (entgegen der zivilrechtlichen Regelung) als vom Vorerben stammend zu versteuern hat. Damit wird jedoch gerade nicht geregelt, dass sich das oder die Vorerbschaftsvermögen mit dem Eigenvermögen des Vorerben zu vermischen hat.

b) In § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG wird dem Nacherben ein Antragsrecht eingeräumt, das ihm erlaubt, das Vorerbschaftsvermögen im Verhältnis zum Erblasser versteuern zu lassen. Dieses Antragsrecht ist denklogisch nur möglich, falls das Vorerbschaftsvermögen vom Eigenvermögen des Vorerben als separiert betrachtet wird.

c) In § 6 Abs. 2 S. 3 ErbStG unterscheidet der Gesetzgeber ausdrücklich diese Vermögensmassen, indem er von den "beiden Vermögensanfällen" spricht, also dem Anfall des Eigenvermögens des Vorerben und dem Anfall des Vorerbschaftsvermögens. Das Gesetz ordnet für diese beiden Vermögensanfälle eine getrennte Behandlung hinsichtlich der Steuerklassen an. Das Urteil des Finanzgerichts widerspricht hinsichtlich eines vereinheitlichen Vermögensanfalls vom Vorerben spätestens an dieser Stelle dem expliziten Wortlaut des Gesetzes.

d) In § 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG wird der Gesetzgeber abermals ein weiteres Stück deutlicher: Hier regelt der Gesetzgeber eine Relation im Hinblick auf die Gewährung von Freibeträgen bezüglich des Eigenvermögens des Vorerben und des Vorerbschaftsvermögens. Das hat vier weitere, eindeutige Konsequenzen:

aa) Die beiden Vermögensmassen sind per gesetzgeberischer Regelung hinsichtlich der Beurteilung der zu gewährenden Freibeträge ausdrücklich und zwingend zu unterscheiden.

bb) Für jeden Vermögensanfall steht grundsätzlich jeweils der steuerliche Freibetrag zur Verfügung, der sich aus dem Verhältnis zum Erblasser ergibt, wenn und soweit er nicht nach der speziellen Regelung des § 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG bereits verbraucht ist, was vom Finanzamt darzulegen ist und nötigenfalls zu belegen wäre. Diesbezüglich mangelt es an entsprechenden Darlegungen des Finanzamts. Das Finanzgericht blendet diesen Punkt ebenfalls aus, obwohl er u.E. entscheidungserheblich ist.

cc) Die gesetzlich angeordnete Konnexität der Vermögensmassen zur Ermittlung der unverbrauchten Freibeträge für jede der zu unterscheidenden Vermögensmassen besteht nur zwischen dem Eigenvermögen des Vorerben und einem Vorerbschaftsvermögen. Es besteht nach dem eindeutigen Wortlaut von § 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG eben gerade nicht – wie vom Finanzgericht angenommen – eine Konnexität auch zwischen mehreren Vorerbschaftsvermögen.

dd) Der konkrete Bezug in § 6 Abs. 2 S. 4 ErbStG auf ein bestimmtes Vorerbschaftsvermögen fixiert die Bestimmung des jeweiligen Steuerfreibetrags. Bei Annahme der Vereinheitlichung mehrerer Vorerbschaftsvermögen – die beispielsweise jeweils vom Großvater und Großonkel stammt – kann nicht ermittelt werden, ob der hohe Freibetrag im Verhältnis zum Großvater oder der geringe Freibetrag im Verhältnis zum Großonkel für die Versteuerung maßgeblich sein soll. Es fehlt der gesetzlichen Regelung daher an der erforderlichen Bestimmtheit.

e) In den gesetzlichen Regelungen wird vom Erblasser stets nur im Singular gesprochen, vgl. z.B. § 6 Abs. 2 S. 2, § 7 Abs. 2 S. 1 ErbStG. Der Gesetzgeber hat offensichtlich nicht die Möglichkeit mehrerer Vorerbschaftsvermögen bedacht.

f) Das Finanzgericht verkennt zudem, dass die Ablehnung der Freibetragsgewährung für jedes einzelne Vorerbschaftsvermögen eine belastende Maßnahme darstellt, für die nach dem auch für das Steuerrecht geltenden Grundsatz des Vorbehalts des Gesetzes und des Bestimmtheitsgebots (Art. 20 Abs. 3 GG) eine klar bestimmte Rechtsgrundlage erforderlich ist, wie der BFH[6] festhält:

Zitat

"… gehen die Revisionskläger im Ausgangspunkt zutreffend davon aus, dass wegen des Grundsatzes der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) sowie wegen des für staatliches Eingriffsrecht und damit auch für das Steuerrecht geltenden Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes und des Bestimmtheitsgebots (Art. 20 Abs. 3 GG) nur der Gesetzgeber, nicht aber die Verwaltung oder die Gerichte berechtigt sind, neue Eingriffstatbestände zu schaffen (Kammerbeschluss des BVerfG vom 14.8.1996 2 BvR 2088/93, NJW 1996, 3146; BFH-Urt. v. 7.2.2007 I R 5/05, BFHE 216, 530, BStBl II 2007, 796, und allgemein Drüen, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 4, Rn 360 ff.)."

Da § 6 Abs. 2 ErbStG die Unzulässigkeit von mehreren Anträgen nach § 6 Abs. 2 S. 2 ErbStG aber nicht regelt, kann diese Vorschrift dafür keine taugl...

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