Neuregelung zum 1.1.2020 durch das Angehörigenentlastungs- und das Bundesteilhabegesetz

Einführung

Kinder sind ihren Eltern nach den §§ 1601 ff. BGB unterhaltspflichtig, wenn die Eltern bedürftig und die Kinder leistungsfähig sind. Das bestimmt sich rein nach unterhaltsrechtlichen Regeln. Daran ändert sich zum 1.1.2020 erst einmal grundsätzlich gar nichts.

Geändert hat sich nur die Düsseldorfer Tabelle, die den nach § 1603 BGB zu belassenden Selbstbehalt erhöht hat. Bis zum 31.12.2019 betrug der monatliche Selbstbehalt für ein unterhaltspflichtiges Kind 1.800 EUR (inklusive 480 EUR Warmmiete) und 1.440 EUR (inklusive 380 EUR Warmmiete) für ein Schwiegerkind. Diese Beträge sind ab dem 1.1.2020 für ein unterhaltspflichtiges Kind auf 2.000 EUR (einschließlich 700 EUR Miete) und 1.600 EUR für das Schwiegerkind (einschließlich 600 EUR Warmmiete) angehoben worden, allerdings mit dem Zusatz:

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Durch das Angehörigenentlastungsgesetz ist der Elternunterhalt für eine große Personengruppe seit dem 1.1.2020 erledigt. Für die verbliebene Personengruppe fängt er erst richtig an. Dafür wird man auf die allgemeinen Regeln zur unterhaltsrechtlichen Ermittlung von Bedarf ("Welches Heim darf es denn sein?"), Bedürftigkeit ("Darf der Daheimgebliebene den Verbleib im Eigentum beanspruchen?") und Leistungsfähigkeit des Kindes (unterhaltsrechtliche Zuzugs- und Abzugsposten) weitestgehend wie bisher weiter zurückgreifen. "Die Musik spielt" beim angemessenen Selbstbehalt und der Frage, welche Abzugs- und Zuzugsposten hierfür unterhaltsrechtlich jetzt noch zugrunde gelegt werden dürfen. Hier wird der Rechtsprechung die Gelegenheit gegeben, die vom Gesetzgeber nicht gesehenen Konsequenzen seiner Entscheidung zu korrigieren und ggf. den Begriff des standesgemäßen Unterhalts im Schenkungsrückforderungsrecht (§ 529 Abs. 2 BGB) völlig neu zu bestimmen. Damit setzt sich der nachfolgende Text unter Darstellung der neuen Rechtslage auseinander.

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Zitat

"Der Selbstbehalt gegenüber den Eltern berücksichtigt die sich aus dem Gesetz zur Entlastung unterhaltspflichtiger Angehöriger in der Sozialhilfe und in der Eingliederungshilfe (Angehörigenentlastungsgesetz) möglicherweise ergebenden Änderungen nicht."[1]

[1] Düsseldorfer Tabelle i.d.F. 1.1.2020 zu Ziffer D.I.

I. Die Änderungen im Sozialhilferecht (SGB XII)

Die eigentliche Veränderung im Elternunterhalt hat im Sozialhilferecht (SGB XII) und im neuen Eingliederungshilferecht (SGB IX) stattgefunden, und zwar im Wesentlichen beim zu berücksichtigenden Einkommen der Eltern aus Elternunterhalt und beim Rückgriff des Sozialhilfeträgers hierauf.

Das lässt sich am besten am Bild des sozialhilferechtlichen Regress-Dreiecks nachvollziehen.

Auf der Ebene des Leistungsrechts des SGB XII müssen Eltern ihr eigenes Einkommen (§§ 82 ff., 92 SGB XII) und Vermögen (§ 90 SGB XII) vorrangig einsetzen, bevor sie einen Anspruch auf Sozialhilfe haben (§§ 2, 19 1– 3 SGB XII). Nach § 82 SGB XII ist Einkommen jeder Zufluss in Geld oder in Geldeswert während des Bedarfszeitraums, unabhängig von seinem Rechtsgrund. Es wird im Sozialhilferecht jedes Einkommen zugerechnet, das im Bedarfszeitraum zufließt, es sei denn, es wäre "normativ" – also durch einen ausdrücklich gesetzlich geregelten Schontatbestand – geschützt.

Ein Elternunterhaltsanspruch (§§ 1601 ff. BGB) ist grundsätzlich Einkommen im Sinne des § 82 SGB XII und war mit einer Ausnahme bisher immer von Eltern vorrangig einzusetzen. Damit bedürftige Eltern den Bettelgang zu ihren Kindern aber nicht selbst antreten mussten, hatte der Gesetzgeber ihnen ermöglicht, unmittelbar Sozialhilfe in Anspruch zu nehmen und die Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs dem Sozialhilfeträger im Wege des sog. Sozialhilferegresses zu überlassen.[2] Deshalb ging der Elternunterhaltsanspruch bisher regelhaft auf den Sozialhilfeträger im Wege einer cessio legis nach § 94 SGB XII über.

Ein "normativer" Schutz, also eine gesetzlich geregelte Ausnahme, galt bis zum 31.12.2020 für bedürftige Eltern, die Grundsicherung[3] nach §§ 41 ff. SGB XII bezogen.[4] Für sie galt, dass ein Elternunterhaltsanspruch als Einkommen im Sinne des Sozialhilferechts grundsätzlich unberücksichtigt blieb, soweit das Gesamteinkommen des unterhaltspflichtigen Kindes i.S.v. § 16 SGB IV nicht mehr als 100.000 EUR p.a. betrug. Damit korrespondierte bisher § 94 Abs. 1 S. 3 Halbs. 2 SGB XII, der regelte, dass ein Rückgriff des Sozialhilfeträgers wegen eines Elternunterhaltsanspruchs unterblieb, wenn von dem bedürftigen Elternteil Grundsicherung im Alter oder bei voller Erwerbsminderung (§§ 41 ff. SGB XII) bezogen wurde. Nur bei hohem Einkommen der Kinder sollten diese nach dem Willen des historischen Gesetzgebers nicht vom Unterhaltsrückgriff befreit werden.[5]

Diese Begünstigung galt bisher aber ausnahmslos nur beim Bezug von Grundsicherung, nicht für die Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 27 SGB XII), nicht für Hilfe zur Pflege (§§ 61 ff. SGB XII) und nicht für Eingliederungshilfe (bis zum 31.12.2019 nach §§ 53 ff. SGB XII), und bei der Heimunterbringung selbst dann nicht, wenn man ermitteln konn...

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